11.03.2021 | Stromausfall in Texas – was man daraus lernen kann

«Schweiz hätte Situation gemeistert»

Aus den tagelangen Stromausfällen in Texas kann auch die Schweiz ihre Lehren ziehen. Warum die Schweiz eine solche Situation überstanden hätte. Und warum uns das nicht unbedingt beruhigen sollte.

Texas ist nicht für seine harten Winter bekannt. Eher für seine schwülwarmen Sommer. Entsprechend ist auch die Stromversorgung auf den Sommer ausgelegt. Die vielen Klimaanlagen brauchen vor allem in der texanischen Sommerhitze viel Strom. Die Winter sind milde und der Stromverbrauch in der (gar nicht mal so) kalten Jahreszeit tief. Normalerweise.

Mitte Februar 2021 wurde es dann aber doch kalt in Texas – und zwar so richtig. Zeitweise fielen die Temperaturen auf -18 Grad. Die Kälte führte dazu, dass die Heizungen in den tendenziell schlecht isolierten Gebäuden hochgedreht wurden, was den Energieverbrauch in die Höhe schnellen liess. Gleichzeitig mussten mehrere Gas- und Kohlekraftwerke (und ein Kernkraftwerk) vom Netz, weil die Kühlsysteme der Kälte nicht gewachsen waren. Texas stand plötzlich vor einer Situation mit unerwartet hoher Energienachfrage bei unerwartet tiefer Produktion – ein tödlicher Cocktail für die Versorgungssicherheit.

Prognosen lagen 17 Gigawatt daneben

Wie drastisch die Situation war, zeigen die Annahmen des texanischen Netzbetreibers ERCOT. Die Voraussagen gingen für den laufenden Winter von Lastspitzen um 58 Gigawatt aus. Im schlimmsten Fall sollte das texanische Stromnetz mit bis zu 67 Gigawatt belastet werden – aber wirklich nur wenn es ganz schlimm kommt. Effektiv nachgefragt wurden am 17. Februar allerdings über 75 Gigawatt. Die Prognosen von ERCOT lagen umgerechnet um 17 grosse Kernkraftwerke daneben. Anfängliche Gerüchte, die Erneuerbaren seien an den Ausfällen schuld, stellten sich schnell als ideologischer Schwachsinn heraus. Photovoltaik war sogar die einzige Technologie, die während den Tagen der Stromknappheit mehr lieferte als erwartet – wenn auch auf äusserst tiefem Niveau.

Das Ungleichgewicht zwischen Stromangebot und Nachfrage in Texas führte zu Lastabwürfen. Das bedeutet: Weil die hohe Stromnachfrage nicht mit Produktion gedeckt werden konnte, stellte ERCOT Millionen Texanern tagelang den Strom ab. Das verhinderte zwar einen totalen Zusammenbruch des Netzes, brachte viele Texaner aufgrund der Kälte aber in schwierige Situationen.

Strompreise explodierten

Und jene die noch Strom hatten? Die konnten sich zumindest anfänglich glücklich schätzen. Viele von ihnen dürfte dann aber ob der Stromrechnung der Schlag getroffen haben. Der Strommarkt und das Stromnetz in Texas sind unabhängig vom Rest der USA. Das System kennt deshalb auch seinen eigenen Strompreis. Und der stieg aufgrund der hohen Nachfrage und tiefen Produktion während drei Tagen auf 9000 Dollar pro Megawattstunde – normal wären rund 30 Dollar. Besonders ungünstig: der Strompreis vieler Texaner ist nicht – wie beispielsweise in der Schweiz – ein Jahr fixiert, sondern an den kurzfristigen Marktpreis gebunden. Viele Texaner zahlten für ihre warme Stube also einen exorbitant hohen Preis. Im Gegenzug mussten viele Versorger, deren Kraftwerke ausgefallen waren, entsprechend teure Ersatzenergie beschaffen für Kunden mit fixiertem Tarif.

Speicherseen als Trumpfkarte

Welche Lehren kann die Schweiz aus den Ereignissen in Texas ziehen? «Tatsächlich hätte die Schweiz eine ähnliche Situation einigermassen problemlos gemeistert», sagt Martin Koller, Leiter Energiewirtschaft bei Axpo. Anders als in Texas stützen unsere Stauseen die Versorgungssicherheit: «Die Schweizer Speicherkraftwerke sind sehr flexibel und können auch längere Lastspitzen abfangen.» Darüber hinaus ist die Schweiz nicht abgekapselt, sondern ins kontinentale Verbundnetz integriert. Hinzu kommt, dass die Kraftwerke in der Schweiz selbst bei sehr tiefen Temperaturen einsatzfähig bleiben.

Also kein Handlungsbedarf in der Schweiz? «Doch», entgegnet Energiewirtschafter Koller. «Wenn die Strompreise schon vor einer Extremphase während längerer Zeit hoch sind, werden die Stauseen geleert, weil man mit dem Strom viel Geld verdienen kann.» Möglich also, dass die Seen dann, wenn sie für eine unerwartete Extremphase gebraucht werden,  einen zu tiefen Füllstand aufweisen. «Texas zeigt zwei Dinge», schliesst Koller: «Die Schweiz braucht eine Speicherreserve. Darüber hinaus ist der Stromaustausch mit Europa sicherzustellen.»

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