09.03.2023 | Schweizer Windenergie: Heute unbedeutend – morgen ein Pfeiler zur sicheren Versorgung

Der Wind hat gedreht

Jeanette Schranz

Autorin

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Das Potenzial der heimischen Windenergie wird gerade erst entdeckt – und es ist vielversprechend. Windkraft kann einen sinnvollen Beitrag leisten, die Stromlücke im Winter zu schliessen. Die Axpo-Tochter CKW plant den Bau von 20 Turbinen in der Schweiz und will Anwohnende als Investoren gewinnen.

In der Schweiz stehen heute gerade mal 41 Windturbinen, verteilt auf sechs Windparks und fünf Einzelanlagen. Sie steuern weniger als ein halbes Prozent zum Schweizer Strommix bei. Dabei hat die Windkraft zahlreiche Vorteile. Sie steht rasch zur Verfügung und vor allem: Sie hat das Potenzial, die Stromlücke im Winter zu verringern. Denn Windstrom fällt vor allem in den Wintermonaten an, je nach Standort der Anlage sind es bis zu zwei Drittel der Jahresproduktion, das zeigen auch die aktuellsten Auswertungen aus dem Jahr 2022.

«Das ist genau in der Zeit, in der wir mehr Strom verbrauchen, z.B. für Beleuchtung und Heizen mit Wärmepumpen. Gleichzeitig liefern Wasserkraft und Solarenergie weniger Strom.», so Axpo-Energieökonomin Lara Lück* und betont: «Mit Wind- auf der einen und Solar- und Wasserkraft auf der anderen Seite steht uns ein Trio an erneuerbaren Energien zur Verfügung, das sich über das Jahr hinweg ausgesprochen gut ergänzt».

Abhängigkeit vom Ausland verringern

Im Unterschied zur Schweiz setzen zahlreiche europäische Länder längst auf Windkraft – und das gilt nicht nur für klassische «Windländer» wie Deutschland oder Dänemark. Österreich, wie wir ein Alpenland, erzeugt mit 1307 Windanlagen Anlagen 12 Prozent seines Strommix, die Mitgliedstaaten der EU im Durchschnitt 16 Prozent.

Anteil Windenergie an Stromproduktion

Schlusslicht Schweiz: In der Schweiz stammt weniger als 1% des Stroms aus Windenergie. (Quelle: Suisse Eole)

Dass die Schweiz derart hinterherhinkt, ist nicht etwa darauf zurückzuführen, dass die Windkraft bei uns kein Potenzial hätte. Im Gegenteil. Moderne Anlagen liefern heute rund dreimal mehr Strom als noch vor zehn Jahren. Sie sind höher und die Rotoren deutlich grösser, liefern also mehr Strom pro Fläche. Zudem haben sich die politischen Rahmenbedingungen verbessert. Etwa sind Windparks mit einer jährlichen Produktion von mehr als 20 Gigawattstunden heute von nationalem Interesse.  

Um die Möglichkeiten der Windenergie in der Schweiz zu beziffern, ist das Bundesamt für Energie BFE jüngst über die Bücher gegangen. In den auf 2012 basierenden Berechnungen war es bis 2050 noch von einem Potenzial von gut 4 Terawattstunden (TWh) pro Jahr ausgegangen. Die aktuelle, vom Bund beauftragte Studie attestiert der Windkraft dagegen ein Vielfaches an Potenzial: Theoretisch liegt es bei knapp 30 TWh pro Jahr. Liessen sich 30 Prozent davon tatsächlich realisieren – was rund 1'000 Anlagen entsprechen würde –, würde die Windenergie mit rund 9 TWh pro Jahr massgebend zur sicheren Stromversorgung der Schweiz beitragen. Die Abhängigkeit vom Ausland im Winter wäre sehr viel geringer.  

Axpo Pipeline ist gut gefüllt

Gute Standorte sind in der Schweiz vom Jurabogen über das Mittelland bis zu den Voralpen und Alpen ausreichend vorhanden. Derzeit blockieren indes Einsprachen und Rekurse den Bau von Windrädern – und das zum Teil auf Jahre hinaus. Die Energiekommission des Nationalrats (Urek) hat reagiert und im Januar quasi zur Windoffensive geblasen. Sie will die Verfahren für den Bau von Windkraftanlagen spürbar abkürzen und so den Ausbau der Windkraft forcieren – und zwar so lange, bis eine zusätzliche TWh pro Jahr produziert ist (Lex Windkraft). Das sind fast siebenmal mehr als heute.  

Das ist begrüssenswert. Wichtig ist, dass der Bund und die Kantone verstärkt geeignete Standorte und Flächen für erneuerbare Energien in der Planung, also in den Sach-, Richt- und kantonalen Nutzungsplänen ausweisen und die Bewilligungsverfahren durch Konzentration, verstärkte Koordination und verbindliche Fristen straffen.

«Die Windenergie hat unbestritten Auftrieb. Axpo wird deshalb ihre eigenen Szenarien angleichen. In unserem Zukunftsszenario im Axpo Power Switcher werden wir einen stärkeren Ausbau unterstellen», sagt Lück. Die Pipeline der Axpo ist schon mal gut gefüllt. In der Zentralschweiz sind sechs Projekte mit 20 Turbinen geplant. Entwickelt und gebaut werden sie von Axpo-Tochter CKW.  

Risiken absichern – Anwohner als Investoren einbinden

Um den Bau von Windkraftanlagen in der Schweiz zu erleichtern, also auch um mehr Investitionssicherheit zu schaffen, schlägt Lück verschiedene Ansätze vor. Einer davon ist die Risikoabsicherung für Windkraftanlagen via Abnehmerverträge. Derzeit sind die Strompreise vergleichsweise hoch. «Sollten sie jedoch fallen und länger auf einem tiefen Niveau verharren, kann das empfindlich an der Rentabilität der Anlagen nagen», erklärt sie. Deshalb seien Abnehmerverträge mit fixierten Preisen für eine bestimmte Menge Strom ein Ansatz, um Windparks auch ohne staatliche Förderung zu bauen.  

Ein weiterer ist es, die Anwohnerinnen und Anwohner an den Investitionen zu beteiligen. Im Gegenzug erhalten sie einen entsprechenden Anteil an den Einkünften der Windkraftanlage. Axpo hat dieses Modell über ihre Tochter Volkswind bereits im Ausland realisiert, die seit Jahren international erfolgreich grosse Windparks entwickelt und baut. «Die Einbindung der lokalen Bevölkerung als Investoren erhöht nicht nur die Akzeptanz von Windrädern, sondern verringert auch das Investitionsvolumen, das Axpo aufbringen muss», fasst Lück zusammen. So gewinnen alle Parteien. 

Lara Lück ist Senior Energy Economist bei Axpo und zuständig für strategisch-energiewirtschaftliche Fragestellungen in der Axpo Gruppe. Die studierte Maschinenbauerin hält einen Doktor in Elektrotechnik an der RWTH Aachen mit Fokus auf Energiemärkte und Stommarktanalysen. 

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