17.05.2021 | Wasserstoff in der Praxis

Ein Energie-Multitalent

Grüner Wasserstoff, welcher mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt wird, gilt als Schlüsseltechnologie für die Energiewende und die Dekarbonisierung. Axpo will deshalb in diesem Thema Know-how aufbauen und zukunftsweisende Projekte realisieren. Wo H2 zum Einsatz kommen könnte.

Bei der Weiterentwicklung ihrer Strategie hat Axpo erste Weichenstellungen vorgenommen worden. Das Unternehmen wird sich künftig auf drei Pfeiler fokussieren: In der Schweiz auf ihre führende Rolle beim Übergang in eine CO2-freie Energiezukunft und international auf das Kunden- und Handelsgeschäft sowie den Ausbau der Erneuerbaren. Hier werden neben Wasserkraft, Wind- und Solarenergie künftig auch Batteriespeicher und der Energieträger Wasserstoff eine zunehmend bedeutendere Rolle spielen.

Bereits im Einsatz

Wasserstoff wird heute vor allem in der chemischen Industrie, etwa zur Herstellung von Stickstoffdünger, in Erdölraffinerien zur Herstellung von Mineralöl oder synthetischen Kraftstoffen verwendet. Auch im Bereich der Mobilität gibt es mit Wasserstoff angetriebenen PKW, Lastwagen oder Bussen des ÖV bereits erste Anwendungen.

Während man im Bereich von Autos noch darüber streitet ob E-Autos mit Batterie oder Wasserstoffantrieb mehr Sinn machen, ist klar: Wasserstoff könnte künftig im Verkehrssektor besonders im Bereich Fern- und Schwerlastverkehr – aber auch in der Schiff- und Luftfahrt sinnvoll eingesetzt werden.

Der Einsatz von H2 könnte zudem für die emissionsarme Produktion von Stahl oder in der Metallverarbeitung Sinn machen.

Zudem könnten im Bereich der chemischen Produktion und in Raffinerien weitere gasförmige und flüssige, synthetische Energieträger auf Basis von Wasserstoff genutzt werden. Auch in der Zement-, Glas- und Keramikproduktion könnte Wasserstoff in Kombination mit Carbon Capture Anwendung finden. Und auch zum Heizen könnte Wasserstoff in Brennstoffzellen genutzt werden.

Wasserstoff könnte neben Batterien oder Methan als Langzeitspeicher die Energieversorgung mit erneuerbaren Energien ganzjährig sichern. Allerdings ist die dahintersteckende «Power-to-H2-to-Power-Technologie» zwar technisch als Prozess gut überschaubar, doch wegen der insgesamt betrachtet sehr hohen Gestehungskosten für eine saisonale Stromspeicherung (auch langfristig) noch sehr teuer.

Nutzen in der Stahlindustrie

Für viele gilt grüner Wasserstoff als Garant für eine erfolgreiche Energiewende. Experten sehen darin zwar tatsächlich ein großes Potenzial, so rechnet etwa das Beratungsunternehmen McKinsey damit, dass grüner Wasserstoff in den 2030er Jahren wettbewerbsfähig wird. Andere Experten warnen aber vor einem Hype.

Schauen wir doch mal zwei konkrete Beispiele an.

Im Jahr 2020 war das stahlproduzierende Gewerbe mit 22 Prozent der größte industrielle CO2-Emittent in Europa. Um gemäß Pariser Klimaabkommen bis 2050 klimaneutral zu werden, müssen die Unternehmen ihre Produktion in den nächsten fünf bis zehn Jahren deshalb auf eine neue, großflächig einsetzbare und vor allem klimaneutrale Technologie umstellen.

Der CO2-Ausstoß könnte durch eine Kombination von CO2-Speicherung und teilweisem Einsatz von Biomasse im Hochofen zwar reduziert, allerdings nicht auf Null gesenkt werden. Andere Optionen wie die Plasma-Direktstahlerzeugung oder das elektrolytische Reduktionsverfahren befinden sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium.

Die wasserstoffbasierte Direktreduktion ist nach Ansicht von Branchenexperten am weitesten entwickelt und - sobald es denn genügend grüne Energie gibt - für den Einsatz in der Stahlindustrie klimatisch am sinnvollsten. Bei der Direktreduktion wird Eisenerz anstatt mit Koks mit Hilfe von Erdgas oder Wasserstoff zu Eisen reduziert – entsprechend müssten dafür also die bestehenden koksbasierten Hochöfen ersetzt werden. 

Der Gesamtenergiebedarf für eine klimaneutrale Stahlproduktion ist aber hoch. Er beläuft sich gemäss Angaben von «enerigeexperte.org» auf circa 120 TWh pro Jahr. Zum Vergleich: Momentan ist die weltweit größte Anlage zur Wasserstoff-Elektrolyse in Hamburg geplant. Sie kann bei einer optimalen Laufleistung knapp 1 TWh pro Jahr erzeugen.

Wärmepumpen sind effizienter

Auch in Gebäuden bietet der direkte Einsatz von Wasserstoff zusätzliche CO2-Minderungspotenziale, etwa durch den Einsatz von Wasserstoff als Energiespeicher und in Brennstoffzellen-Heizungen. Allerdings gilt hier gemäss einer Studie des Fraunhofer Instituts für Erneuerbare Energien der Grundsatz weniger ist mehr. «Wasserstoff sollte nur dort zur Wärmerzeugung einsetzt werden, wo es keine wirtschaftlichen Alternativen gibt». Denn: Die benötigte erneuerbare Energiemenge zur Bereitstellung von Niedertemperaturwärme mit Wasserstoff ist um 500 bis 600 % höher als bei einer Wärmepumpe.

Brennstoffzellen-Kraftwerke

Brennstoffzellen funktionieren wie kleine Heizkraftwerke. Sie wandeln Wasserstoff in Strom und Wärme um. Durch die kombinierte Nutzung von beiden ergibt sich eine gute Ausnutzung der ursprünglich eingesetzten Primärenergie. Derartige Brennstoffzellen-Kraftwerke lassen sich in unterschiedlichen Baugrössen realisieren. Neben kleinen dezentralen Kraftwerken in Leistungsbereichen zwischen 200 kW und einigen Megawatt könnten vor allem die kleinen Systeme eine interessante Option darstellen. Im Leistungsbereich üblicher Hausheizungen können diese Systeme nicht nur Heizenergie liefern, sondern auch Strom, der selbst verbraucht oder ins Netz eingespeist werden kann. Millionen solcher Hausbrennstoffzellen könnten dann gemeinsam ein Kraftwerk bilden. Ein Kraftwerk, welches als Ganzes auch für Systemdienstleistungen (Regelenergie/Reservevorhaltung) eingesetzt werden könnte.

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