12.05.2022 | Was hinter den Strompreisen steckt

Vom Wetter bis zu Krieg

Der Krieg des Kremls gegen die Ukraine sorgt aktuell für starke Verwerfungen an den internationalen Energiemärkten. Die Preise für Erdöl, Kohle, Erdgas und Strom schiessen nach der bereits turbulenten Entwicklung im vergangenen Jahr nochmals in die Höhe.

Für den Stromhandel sind der ausserbörslicher Handel OTC (Over the Counter-Handel), die Leipziger European Energy Exchange EEX sowie die Pariser European-Power-Exchange EPEX-SPOT massgebend. Hier werden auch die Marktpreise für die Schweiz gemacht. Nachfolgend beschäftigen wir uns mit den wichtigsten Elementen im Sport-Markt, also die Märkte, bei denen Geschäfte mit kurzen Lieferfristen abgeschlossen werden.

Preise für Erdgas treiben die Strompreise hoch…

Wie vielfältig die Faktoren sind, die den Strompreis beeinflussen, zeigt allein schon der Blick auf 2021:

Zum einen erholte sich die europäische Wirtschaft nach dem pandemiebedingten Einbruch, während der Winter 2020/21 ungewöhnlich streng ausfiel. Überdies waren in Frankreich Kernkraftwerke wegen Wartungsarbeiten ausgefallen.

Die Lücke in der europäischen Versorgung musste mit der zusätzlichen Verstromung von Steinkohle und Erdgas geschlossen werden. Das verteuert den Strom, denn der Spot-Preis wird durch das jeweils teuerste Kraftwerk bestimmt, das noch benötigt wird, um die Nachfrage zu decken. Das verlangt das an den Strombörsen geltende Merit-Order-Verfahren (Box), auf dem der EU-Strombinnenmarkt beruht.

Allerdings waren die Gasspeicher im Sommerhalbjahr nicht ausreichend gefüllt worden, während in Nordwest-Europa eine für die Jahreszeit ungewöhnliche Windflaute herrschte, was die Nachfrage nach Erdgas weiter antrieb. Hinzu kamen eine hohe Nachfrage nach Erdgas aus Asien, eine Vielzahl Wetter- und Corona-bedingter Angebotsausfälle in den globalen Gas- und Kohlemärkten sowie schleppende zusätzliche Lieferungen aus Russland. Die Sorge um einen möglichen Lieferunterbruch bzw. Einschränkungen bei der Belieferung mit russischem Erdgas, haben sich weiter preistreibend ausgewirkt.

…und hohe Preise für CO2-Zertifikate treiben die Preise zusätzlich

Ein weiterer Grund waren und sind die hohen Preise für CO2-Zertifikate. CO2-Emissionen, wie sie Gaskraftwerke ausstossen, müssen durch Zertifikate abgedeckt sein, die im Emissionshandelssystem der EU gekauft werden. Und die Preise für diese Zertifikate sind infolge der vermehrten Anstrengungen der EU zur Emissionsreduktion ebenfalls gestiegen.

Die Preistreiber für Strom am Spot-Markt im Überblick:

  • Preise für fossile Energieträger (Erdgas, Erdöl, Kohle) und CO2-Zertifikate.
  • Politik und Regulierung (Geopolitik, Umbau des Energiesystems)
  • Wetter und Saison (Windaufkommen, Sonneneinstrahlung, Wasserstand)
  • Erzeugung (Verfügbarkeit von Kraftwerken)
  • Last (Nachfrage nach Strom)
Was bedeuten die hohen Strompreise für unser Portemonnaie?

In der Schweiz ist der Strommarkt teilliberalisiert. Nur Kunden mit einem Jahresverbrauch von mehr als 100‘000 Kilowattstunden Strom haben seit 2009 Zugang zum freien Markt. Dieses Recht nutzen heute rund zwei Drittel der Grosskunden. Für sie gelten die Marktpreise.

Der Kauf bzw. Verkauf einer bestimmten Menge Strom wird dabei meist auf zwei bis drei Jahre im Voraus auf Termin vereinbart, sodass sich die Marktpreise entsprechend mit Verzögerung in der Gewinn- und Verlustrechnung bemerkbar machen.

Haushalte und Gewerbler sowie marktberechtigte Grosskunden, die auf ihren Marktzugang verzichten, sind hingegen Teil des regulierten Markts und an ihr lokales Energieversorgungsunternehmen (EVU) gebunden. Für den Strom, den die EVU beziehen und einkaufen, ist zwar ebenfalls der Marktpreis entscheidend, hat ein Elektrizitätswerk eigene Produktionsanlagen, gibt jedoch der Schweizer Gesetzgeber vor (Box «Preisüberwacher Elcom»), wie die Kosten für diesen Strom berechnet werden müssen.

Der Preis für Strom (Energiebezug), der erstens verzögert wirksam wird, macht zweitens auch «nur» rund ein Drittel der Gesamtkosten aus, verteuert unsere Stromrechnung also weniger stark als es aufgrund der jüngsten Entwicklung zu befürchten wäre.

Der Preis für den Strom, der schliesslich aus der Steckdose kommt, das heisst der Elektrizitätstarif, setzt sich wie folgt zusammen: 

Komponente Anteil

Netznutzung

50 %

Energiebezug

35 %

Bundesabgabe

12 %

Abgaben und Leistungen an die Gemeinwesen

3 %

Und was bedeuten die hohen Strompreise für Produzenten und Energiehändler wie Axpo?

Der Preisanstieg – verursacht durch fossile Kraftwerke im Ausland - ist für die Energieproduzenten in der Schweiz positiv, gerade für die Betreiber von Wasser- und Kernkraftwerken. Die Eigentümer von Kraftwerken gewinnen aufgrund der gestiegenen Preise. Aber auch für die Produzenten gilt: Der Preisanstieg wird sich aufgrund der Terminverkäufe erst verzögert auswirken.

Hinzu kommt, dass für Terminverkäufe finanzielle Sicherheiten hinterlegt werden müssen. Die Höhe dieser flüssigen Mittel hängt dabei vom Preisniveau und von den Preisschwankungen ab – und beides war und ist aktuell sehr hoch.

Die Herausforderungen liegen also auf der Liquiditätsseite. Allerdings bekommen die Marktteilnehmer im Energiehandel die Sicherheiten wieder zurück, sobald sie den Strom geliefert haben. Das Geld liegt quasi nur auf einem Sperrkonto bis zur Erfüllung des Vertrags.

Hintergrund zur Hinterlegung der Sicherheiten ist, dass die Börsen sich gegen das Risiko absichern wollen, sollte ein Produzent Schwierigkeiten haben, die abgemachten Mengen termingerecht zu liefern. Denn dann müsste die Börse am Spotmarkt Ersatzstrom für den Käufer besorgen und das zu heute deutlich höheren Preisen als den ursprünglich abgemachten. 

So funktioniert das Merit-Order-Verfahren

Beim Merit-Order-Verfahren bieten die einzelnen Anbieter anhand ihrer kurzfristigen Produktionskosten. Das Grenzkosten-Prinzip ist das übergeordnete Prinzip, dass solange nach Anbietern mit jeweils steigenden Produktionskosten gesucht wird, bis die Nachfrage vollständig gedeckt wird.

Bei Gaskraftwerke oder bei Kohlekraftwerke sind die Produktionskosten vergleichsweise hoch. Bei einer Photovoltaik-Anlage sind die Produktionskosten hingegen annähernd Null. Der Strompreis entspricht dann den kurzfristigen Betriebskosten (d.h. Brennstoff plus CO2-Zertifikat plus andere kurzfristige Kosten) der Anlage, die als letzte benötigt wird, um die Nachfrage vollständig bedienen zu können.

Axpo beliefert Haushalte nicht direkt

Axpo beliefert in der Schweiz Endkonsumenten wie Haushalte oder das Gewerbe nicht direkt mit Strom (ausgenommen davon ist ihre Tochtergesellschaft CKW). Axpo ist vielmehr eine Produzentin von Strom und ist im Vertrieb und Handel tätig. In der Schweiz ist sie die grösste Produzentin von erneuerbaren Energien, allen voran der Wasserkraft. Sie verfügt zudem über eine starke Position im internationalen Energiehandel.

Preisüberwacher Elcom

Für die Gestaltung der Elektrizitätstarife gelten gesetzliche Vorgaben, die im Stromversorgungsgesetz (StromVG) und in der dazugehörigen Verordnung (StromVV) definiert sind. Jeweils Ende August werden die Elektrizitätstarife für das kommende Jahr publiziert. Jene für das Jahr 2022 und Ihre Region finden Sie hier:

Die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom überwacht für Kleinkonsumenten, die derzeit noch keine Möglichkeit haben, ihren Stromlieferanten auszuwählen, die Elektrizitätstarife sowie die Netznutzungsentgelte aller Anbieter, da das Netz als natürliches Monopol ja nicht gewählt werden kann. 

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