29.11.2023 | Versorgungssicherheit? Wir kümmern uns darum, heute mit Roman von Siebenthal

Ohne Handel keine sichere Stromversorgung

Wann welches Schweizer Kraftwerk der Axpo im Einsatz ist, wird in den Räumen des Asset backed Trading unter der Leitung von Roman von Siebenthal bestimmt. Und hier wird auch dafür gesorgt, dass die Speicherseen in den Bergen immer optimal eingesetzt sind.

Die Nachfrage nach Strom steigt kurzfristig stark an. Die Schleusen des Pumpspeicherkraftwerks Limmern werden geöffnet. Wassermassen strömen über die tonnenschweren Turbinen, die wiederum die Generatoren antreiben und so Strom erzeugen, um den Zusatzbedarf sofort zu decken.

Die Taktgeber, wann und wie das Kraftwerk hoch oben in den Glarner Alpen zum Einsatz kommt – Roman von Siebenthal, Head Spot & Forward Trading, und sein 19-köpfiges Team –, sitzen allerdings dreieinhalb Stunden Autofahrt entfernt, in den Handelsräumen der Axpo in Baden. Unterstützt werden sie von fast ebenso vielen Spezialisten, die den Einsatzplan für die Kraftwerke modellieren und optimieren. Der tatsächliche Start- bzw. Stoppbefehl, um eine Anlage hoch- bzw. runterzufahren, ist Sache der Kollegen im Dispatching.

Warum aber obliegt der Entscheid über Einsatz und Nicht-Einsatz dem sogenannten Asset backed Trading? «Wir vermarkten das Gesamtportfolio unserer Schweizer Anlagen, inklusive der Kraftwerke, an denen wir beteiligt sind. Wir entwickeln und kennen entsprechend die Gesamtplanung für deren Einsatz, die wir darüber hinaus laufend weiterentwickeln. Zudem laufen bei uns im Handel die relevanten Informationen aus den nationalen und internationalen Märkten zusammen», erläutert Roman.  

Die Aufgabe des Asset backed Trading ist es grundsätzlich, die Preissignale der Märkte zu antizipieren, die Last der Verbraucher zu prognostizieren und die eigenen Kraftwerke entsprechend effizient zu nutzen.

Die Festlegung des optimalen Kraftwerkeinsatzes ist anspruchsvoll und wird täglich optimiert. Sie basiert auf Preiskurven verschiedener Märkte und Handelsgüter wie eben Strom oder auch Erdgas sowie auf Wetterprognosen und technischen Restriktionen. Dabei müssen fortlaufend alle Faktoren, die den Strompreis und die Kraftwerke beeinflussen, einbezogen sowie unvorhergesehene Ereignisse und Risiken antizipiert werden.

Wo das Wetter mitspielt…

Die Schweiz ist im europäischen Strommarkt eingebunden, wo der Umbau des Energiesystems – weg von fossilen Energieträgern hin zur volatil verfügbaren Sonnen- und Windkraft – in den letzten Jahren stark forciert worden ist. Damit ist die Komplexität auf der Angebotsseite deutlich gestiegen und hat den Fluss an Marktdaten enorm anschwellen lassen. Denn insbesondere dort, wo Wetter mitspielt, ist Ungewissheit programmiert. Ohne massgeschneiderte Modelle und Tools auf der einen Seite sowie kluge, talentierte und erfahrene Köpfe auf der anderen Seite können diese Herausforderungen nicht erfolgreich gemeistert werden.

Seit über zwei Jahrzehnten arbeitet Roman im Energiehandel, seit 2009 bei Axpo. «Ein grossartiger Job», sagt er, er, der in jungen Jahren Primarkinder unterrichtete und sie wohl neugierig darauf gemachte hatte, was die Welt im Inneren zusammenhält. Philosophie wollte er erst studieren, aber am Ende entschied er sich doch für die Mathematik, dem Sinn für Logik und Kreativität also treu bleibend.

Wasserspeicher: unschlagbar gut

Mit seinem Team verantwortet er den Handel mit der jährlichen Energiemenge von rund 24 Terawattstunden aus den Axpo- und Partnerkraftwerken in der Schweiz sowie den langfristigen Energiebezugsverträgen mit dem Ausland. Herzstück ist das Wasserkraft-Portfolio mit 24 Reservoirs, 32 Ausgleichsbecken, 130 Turbinen, 6 Pumpen, 17 Pumpturbinen und 4 geregelten Turbinen.

Dieses Portfolio will an die Märkte gebracht werden. Dabei müssen Stromangebot und -nachfrage im europäischen Markt inklusive der Schweiz immer ausgeglichen sein, damit die Stromversorgung nicht zusammenbricht. Vereinbarte Lieferungen oder Übernahmen von Strom müssen deshalb immer zeitgerecht und vollständig erbracht werden.

Grundsätzlich lassen sich zwei Typen von Kraftwerken im Axpo Portfolio Schweiz unterscheiden: jene, die nicht oder nur beschränkt steuerbar sind, wie beispielsweise das Flusskraftwerk Rüchlig oder das Kernkraftwerk Beznau und jene, die flexibel steuerbar sind wie eben das Pumpspeicherkraftwerk Limmern – einer Batterie mit 1000 Megawatt Leistung. «Diese Kraftwerke können grossen Mengen an Energie effizient speichern. Der Pump-Wirkungsgrad solcher modernen Anlagen beträgt bis über 80 Prozent. Unschlagbar!», schwärmt Roman: «Die perfekte Ergänzung zur stochastisch anfallenden Sonnen- und Windenergie»

Gut gefüllte Speicher

Kurzfristig signalisieren die Marktpreise, soll Wasser aus den Speichern turbiniert werden oder nicht. Je ferner indes in die Zukunft geschaut werden muss, desto weniger Informationen stehen zur Verfügung. Werden wir beispielsweise aus heutiger Sicht im Februar genug Wasser haben?  Darauf weiss kein (Wetter-)Modell eine ausreichend präzise Antwort. Zwar sind die Speicher aktuell noch fast vollständig gefüllt, dennoch können wir heute nicht wissen, ob wir genügend Wasser für den ganzen Winter haben werden. Es gibt zu viele Unsicherheiten: Allein das Wetter lässt sich lediglich auf Tage hinaus einigermassen verlässlich prognostizieren. Das macht den «Blick auf den Tank», wie Roman sagt, so wichtig: «Ein Porsche mag zwar viel Leistung haben, kommt aber mit leerem Tank auch nicht weit. Auch unser gesamter Kraftwerkspark hat viel Leistung. Unser "Tank" in den Bergen, die Speicherkraft des Wassers, reicht aber nicht, um den ganzen Winter voll durchzufahren.»

Deshalb ist der verantwortliche Umgang mit der wertvollen Ressource Speicherwasser so zentral. «Statt allein der heutigen Marktmeinung zu vertrauen, bauen wir Sicherheitsmargen ein, um auch bei unerwarteten Entwicklungen gerüstet zu sein. Das ist uns bisher auch immer gelungen und wir setzen alles daran, dass es auch morgen und übermorgen gelingt», hält Roman fest. 

Schwankungen ausgleichen – Risiken absichern

Schwankungen ausgleichen – Risiken absichern

Der Handel läuft über den Spot- und Terminmarkt. Am Spotmarkt (Spot Trading) wird kurzfristig Strom gehandelt. Damit kann Axpo Schwankungen im Verbrauch ausgleichen oder optimieren. Auch ist in etwa bekannt, wie viel Strom der eigene Kraftwerkpark mittelfristig produzieren kann. Naturgemäss kennt man aber nicht den Spotpreis, der in der Zukunft für eine bestimmte Strommenge bezahlt werden wird. Das ist für Axpo als Stromproduzentin, aber auch für die Käufer, beispielsweise ein grosser Verbraucher oder ein Verteilnetzbetreiber mit vielen Endkunden, ein beachtliches Risiko. Deshalb sichert Axpo schon heute Teile ihrer Produktion auf dem Terminmarkt (Forward Trading) ab und versorgt somit den Terminmarkt mit Liquidität, den die Verbraucher für ihre eigen Risikoabsicherung benutzen 

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