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18.07.2023 | Wir sind aktuell zu langsam unterwegs

Maximale Beschleunigung der Bewilligungsverfahren

Langandauernde Bewilligungsverfahren sind eine der grössten Hürden für den Zubau erneuerbarer Energien. Der Bund hat mit der Botschaft zur sog. Beschleunigungsvorlage seine Vorschläge für die Straffung der Bewilligungsverfahren von Grossanlagen präsentiert. Die Stossrichtung ist zu begrüssen, mit zusätzlichen Massnahmen liesse sich die Wirksamkeit aber noch verbessern.

Bis eine grosse Stromproduktionsanlage gebaut werden kann, vergehen in der Schweiz teilweise mehr als 15 Jahre. Vor dem Hintergrund der zukünftigen Abschaltung der Kernkraftwerke und der ansteigenden Nachfrage aufgrund der Elektrifizierung ist das zu langsam. Es droht eine hohe Importabhängigkeit im Winter mit Risiken für die Versorgungssicherheit. Die Beschleunigung der Bewilligungsverfahren wird bereits seit einiger Zeit intensiv diskutiert. Am 28. Juni 2023 hat der Bundesrat mit der Botschaft der sog. Beschleunigungsvorlage seine Vorschläge präsentiert, wie er die Bewilligungsverfahren für Grossanlagen straffen möchte.

Weshalb dauern Bewilligungsverfahren eigentlich so lange?

Der Prozess für die Bewilligung einer neuen Grossanlage ist unter anderem im Raumplanungsgesetz vorgegeben. Mit dem Ziel der haushälterischen Nutzung des Bodens verlangt es neben dem eigentlichen Baubewilligungsverfahren auch verschiedene Planungsschritte. Der Gesamtprozess stellt sich vereinfacht etwa so dar: In einem ersten Schritt muss das Gebiet resp. der Standort der Anlage in der kantonalen Planung, im sog. kantonalen Richtplan, ausgewiesen werden. Danach sind die Gemeinden am Zug, welche unter Berücksichtigung des Richtplans im sog. Nutzungsplan das Grundstück als Bauzone deklarieren. Diese beiden Planverfahren bilden eine Voraussetzung für das Baugesuch bei der Gemeinde als Start des Baubewilligungsverfahrens. Im Baubewilligungsverfahren sind die Auswirkungen der geplanten Grossanlage unter sämtlichen rechtlichen Aspekten zu prüfen. Dazu gehört bei grösseren Anlagen die sog. Umweltverträglichkeitsprüfung, mit welcher die Auswirkungen auf Natur und Umwelt umfassend geprüft werden. Ergänzend zur Baubewilligung können je nach Projekt auch weitere spezialgesetzliche Genehmigungen (z.B. Luftfahrtrecht bei Windkraftanlagen) oder bei der Wasserkraft eine Konzession notwendig sein.

In der Praxis kann jeder der drei Verfahrensschritte überschlagsmässig 2 Jahre beanspruchen. Bis zum Vorliegen einer Baubewilligung kann es somit gut 6 Jahre dauern. Oft erfahren die Projekte aber durch Einsprachen und im Anschluss durch entsprechende Gerichtsverfahren weitere Verzögerungen. Betroffene oder Umweltschutzverbände können sowohl die Festlegungen der Nutzungsplanung als auch die Baubewilligung separat anfechten. Je nach kantonaler Ausgestaltung sind für beide Rechtsmittelzüge je drei gerichtliche Instanzen (zwei kantonale Gerichtsinstanzen und Bundesgericht) involviert. Bis die Verfahrensschritte und alle Gerichtsverfahren durch sind, können die eingangs genannten 15 Jahre zusammenkommen.

Inhalte der Vorlage des Bundes

Mit der Botschaft zur Beschleunigungsvorlage will der Bundesrat die Verfahrensschritte vereinfachen und verkürzen. Der Kern des Vorschlages ist die Einführung eines konzentrierten, kantonalen Verfahrens für Solar- und Windanlagen von nationalem Interesse (d.h. grosse Anlagen, Schwellenwert wird durch Bund definiert). Dieses konzentrierte Verfahren bündelt die Nutzungsplanung und die Baubewilligung. Mit Blick auf die obigen Erläuterungen sind zwei positive Wirkungen direkt ersichtlich: Zum einen entfällt ein Verfahrensschritt, da die Umzonung des Grundstücks und die Baubewilligung zusammen mit der sog. (kombinierten) Plangenehmigung erteilt werden. Zum anderen ist gegen diese Plangenehmigung dann nur noch ein einheitliches Rechtsmittel möglich, d.h. die Umzonung und die Baubewilligung werden gemeinsam von den Gerichten beurteilt. Für die Wasserkraft sind keine neuen Verfahren vorgesehen, allerdings kennen verschiedene Kantone unter gewissen Umständen schon konzentrierte Verfahren.

Ergänzend soll auch die Dauer der Verfahrensschritte verkürzt werden. Die erteilte Plangenehmigung soll nur noch beim obersten kantonalen Gericht und dem Bundesgericht angefochten werden können, wodurch beim Rechtsmittelzug eine Instanz entfällt. Ebenfalls sieht der Bund Fristen von 180 Tagen vor, sowohl für den Rechtmittelzug als auch für das Plangenehmigungsverfahren. Der Bundesrat hält aber fest, dass es sich dabei um Ordnungsfristen handelt; eine Nichteinhaltung durch Behörden oder Gerichte hätte also keine unmittelbaren Folgen.

Mögliche Verbesserungen

Damit die Vorschläge des Bundes ihre volle Wirkung entfalten, gilt es sicherzustellen, dass die geplanten Fristen eingehalten werden. Hierzu gibt es insbesondere zwei Ansätze, die aktuell in der Vorlage nicht explizit adressiert sind. Erstens benötigen die Kantone ausreichend Ressourcen und Kompetenzen um die – neu zu schaffenden – konzentrierten Verfahren effizient durchzuführen. Der Bund könnte hierzu Anreize setzen, Kompetenzen teilen oder allenfalls auch zusätzliche Finanzierung bereitstellen. Zweitens verzögern in der Praxis oft langsame, mehrmalige und unkoordinierte Stellungnahmen von Fachstellen die Verfahren. Diesbezüglich sollte sichergestellt werden, dass Stellungnahmen widerspruchsfrei, nur einmal und abschliessend erfolgen. Treffen Stellungnahmen nicht rechtzeitig ein, sollte automatisch von einem Verzicht ausgegangen werden.

Was in der Vorlage ebenfalls fehlt, ist eine übergeordnete Planung durch den Bund. Es gibt keinen Mechanismus, der sicherstellt, dass die Kantone in der Summe so viele Gebiete und Standorte für die Stromproduktion ausscheiden, wie es für die Versorgungssicherheit notwendig wäre. Auch fehlt eine gesamtschweizerische, übergeordnete Abwägung zwischen Versorgungssicherheit und Natur- und Landschaftsschutz. Es wäre wünschenswert, dass der Bund mindestens Transparenz über den Grad der Zielerreichung schafft und eine Koordinations- und Überwachungsfunktion einnehmen würde. Denkbar wäre auch eine ergänzende Planung durch den Bund, z.B. in einem für die Kantone verbindlichen Bundeskonzept.

Zuletzt fehlt auch ein Mechanismus zur Koordination der Bewilligung der Anlage mit der - weiterhin separaten - Bewilligung der Netzanschlussleitungen, die für die Stromableitung erforderlichen sind. Die Netzanschlussleitungen sind gemäss Vorlage des Bundes weiterhin separat nach Bundesrecht zu genehmigen. Es besteht das Risiko, dass die Anlage zwar bewilligt wurde, das Projekt aber durch die fehlenden Netzanbindung verzögert wird.

Es braucht Mut zu Veränderungen

Die Vorschläge des Bundes werden nicht von allen Seiten begrüsst werden, führen sie doch zu gewissen Kompetenzverschiebungen. Beispielsweise wird mit dem konzentrierten Verfahren die Kompetenz zur Bewilligung der Anlage von der Gemeinde an den Kanton übertragen. Gemeinden sollen zwar einbezogen werden, sie können aber zukünftig nicht mehr abschliessend über die Projekte von nationalem Interesse entscheiden. Als weitere Anpassung sollen die Beschwerdemöglichkeiten für lokale Umweltverbände gegen solche Projekte ausgeschlossen werden (nicht aber für national tätige Organisationen).

Schlussendlich wird es nicht möglich sein, eine relevante Beschleunigung der Verfahren zu erreichen, ohne gleichzeitig am Status Quo zu rütteln. Das öffentliche Gut der Versorgungssicherheit ist dabei genug wichtig, um auch mutigere Veränderungen anzustossen. Dieses übergeordnete Ziel bedingt auch, bisher lokal getroffene Entscheide in einen zentraleren Diskurs zu überführen. 

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