24.09.2025 | Einspeisen zum richtigen Zeitpunkt

Trotz Reform bleibt die Zukunft der Rückliefervergütung für erneuerbare Energien offen

Das Parlament hat in der Herbstsession die durch das Stromgesetz geschaffenen Rückliefervergütung für erneuerbare Energien nachjustiert. Die Änderung korrigiert wesentliche Fehlanreize mit Blick auf die Systemstabilität. Doch nicht alle Zielkonflikte sind gelöst. Weitere Reformen sind notwendig; und dabei könnte auch das Stromabkommen eine entscheidende Rolle spielen. Eine Einordnung.

Solarproduzenten speisen ihren Strom in der Regel beim lokalen Verteilnetzbetreiber ein; dieser ist zur Abnahme gesetzlich verpflichtet. Die dafür bezahlten Rückliefervergütungen waren bisher jedoch uneinheitlich – je nach Netzgebiet variieren die Sätze deutlich. Das Stromgesetz führt deshalb ab 2026 eine schweizweit harmonisierte Vergütung ein. Sie orientiert sich am über das Quartal gemittelten Marktpreis, den eine Referenzanlage erzielt hätte. Für Kleinanlagen gilt dabei zusätzlich eine Mindestvergütung, die der Bundesrat nach Anlagentyp festsetzt. Damit sollen die Gestehungskosten auch bei tiefen Marktpreisen in jedem Fall gedeckt werden. Bevor diese Regelung in Kraft tritt, hat das Parlament in der Herbstsession 2025 jedoch eine Anpassung beschlossen.

Version Stromgesetz: Fehlanreize und Förderung zulasten Grundversorgung

Die im Stromgesetz vorgesehene Rückliefervergütung bringt zwei grundsätzliche Schwächen mit sich. Erstens ist der Vergütungssatz quartalsweise festgelegt und für diese Zeitspanne fix. Er ändert sich also innerhalb eines Tages nicht. Dadurch fehlen Solaranlagenbesitzern Anreize, ihre Einspeisung zeitlich zu steuern – etwa hin zu den Stunden, in denen Strom stärker am Markt nachgefragt und teurer ist. Möglich wäre dies beispielsweise durch eine zeitliche Verschiebung des eigenen Verbrauchs oder Speicher. Die Fehlanreize von fixen Vergütungssätze können den Systemstress erhöhen: selbst in Phasen mit negativen Marktpreisen, wenn den Strom nicht nachgefragt wird und das lokale Netz besonders belastet ist, lohnt es sich weiterhin einzuspeisen.

Zweitens ist die Mindestvergütung für Kleinanlagen eine implizite Förderung – und diese braucht eine Finanzierung. Die Logik gemäss Stromgesetz sieht vor, dass der so vergütete Strom in die Grundversorgung eingerechnet wird. Gebundene Kundinnen und Kunden zahlen bei tiefen Marktpreisen also faktisch mehr für ihren Strom, als es die Marktlage rechtfertigen würde. Verschärfend kommt hinzu: Können Verteilnetzbetreiber zu bestimmten Zeiten mangels Nachfrage in der Grundversorgung nicht genügend Abnahme sicherstellen, müssen sie den Strom mit Verlusten am Markt veräussern. Gerade in kleineren Netzgebieten mit viel Solareinspeisung können diese systematischen Verluste sehr schnell zum Problem werden.

Parlament korrigiert: Von fixen Quartalspreis zu stündlichen Signalen

In der Herbstsession 2025 hat das Parlament im Rahmen des sogenannten Beschleunigungserlasses bei der Rückliefervergütung nachgebessert, um die offensichtlichen Fehlanreize zu entschärfen. Künftig richtet sich die Vergütung am stündlichen Marktpreis aus – statt wie bisher am Quartalspreis. Damit kommen die kurzfristigen Preissignale besser bei den Produzenten an und es lohnt sich – soweit es technisch möglich ist –, die Einspeisung in Stunden mit höherem Bedarf und höheren Preisen zu verlagern. Die Mindestvergütung bleibt dabei bestehen, wird jedoch in eine monatliche Ausgleichsprämie überführt. Nach Monatsende wird der monatliche Referenz-Marktpreis mit der Mindestvergütung verglichen. Liegt der Referenzwert tiefer, erhalten Produzenten für jede eingespeiste Kilowattstunde eine Prämie in Höhe der Differenz - zusätzlich zum stündlichen Marktpreis. Zuletzt kann der Bundesrat bei negativen Marktpreisen auch eine abweichende Regelung festlegen, also beispielsweise die Zahlung der Prämie aussetzen.

Die Fehlanreize wurden also durch das Parlament nun weitgehend korrigiert, die implizite Förderung der Mindestvergütung bleibt jedoch bestehen. Diese Kosten werden weiterhin von den gebundenen Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung oder den Verteilnetzbetreibern über Verluste getragen.

Ob und wann diese Regelung in Kraft tritt ist allerdings noch unklar. Dies wird von einem allfälligen Referendum gegen den Beschleunigungserlass  und einer entsprechende Abstimmung abhängen.

Stromabkommen: Rahmenbedingungen ändern sich

In den vergangenen Wochen wurde breit diskutiert, wie sich ein Stromabkommen mit der EU auf die (Mindest-)Rückliefervergütung auswirken würde. Auf den ersten Blick wirken zwei Punkte heikel: Erstens die Fehlanreize zur Einspeisung bei negativen Preisen, zweitens die Mindestvergütung als implizite Förderung mit Beihilfe-Charakter. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass das EU-Regelwerk für Kleinanlagen in beiden Bereichen Ausnahmen kennt.

Trotzdem ergibt sich eine relevante Änderung der Rahmenbedingungen. Mit dem Stromabkommen würde die Schweiz den Strommarkt vollständig öffnen; die Grundversorgung würde freiwillig und Haushalte könnten jederzeit zu anderen Anbietern wechseln. Kosten, die heute noch über regulierte Grundversorgungstarife verteilt werden, lassen sich in einem offenen Markt nicht mehr einfach auf eine gebundene Kundengruppe überwälzen. Die Folge wäre, dass die Mindestrückliefervergütung de facto zunehmend über Verluste bei Verteilnetzbetreibern finanziert würde – ein Modell, das bei weiter wachsendem Zubau von Solaranlagen schnell nicht mehr tragfähig ist. Der Bundesrat skizziert deshalb im Kontext des Abkommens den Wegfall der Mindestrückliefervergütung; künftige Vergütungen sollen sich rein an stündlichen Marktpreisen orientieren und die Mindestvergütung wegfallen. Die Investitionsanreize würden ausschliesslich über andere Instrumente wie Einmalvergütungen und Eigenverbrauch kommen.

Die Zukunft: Unklarheiten bleiben

Die Reform des Parlaments ist ein wichtiger Schritt, um Fehlanreize zu beheben und die Rückliefervergütung zukunftstauglich zu machen. Die Zukunft der Mindestvergütung bleibt dabei aber unsicher, selbst ohne ein Stromabkommen. Mit dem Ausbau der Photovoltaik werden die steigenden Mehrkosten auf eine schrumpfende Gruppe gebundener Kundinnen und Kunden verteilt – zudem in einzelnen Versorgungsgebieten stärker als in anderen. Das ist weder fair noch dauerhaft tragfähig. Will man die Mindestvergütung beibehalten, braucht es einen alternativen, tragfähigen Finanzierungsmechanismus ausserhalb der Grundversorgung. Denkbar wäre etwa eine zentrale Abnahmestelle, welche die systematischen Verluste ihrerseits über den Netzzuschlagsfonds ausgleicht. In jedem Fall braucht es möglichst bald eine langfristig stabile Lösung, um die gewünschte Planbarkeit für neue Investitionen zu schaffen.

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