22.05.2025 | Axpo Heads Hydrogen and Biogas International Guy Bühler und Véronique Abrate im Interview

«Wir brauchen grüne Treibstoffe für die erfolgreiche Dekarbonisierung»

Grüner Wasserstoff, Derivate wie Ammoniak oder Methanol, genauso wie Biogas gehören zu Schlüsselbegriffen wenn es um klimafreundliche Energie und grüne Treibstoffe geht. Axpo setzt in allen Bereichen seit mehreren Jahren auf Projekte im In- und Ausland. Dass man auch in der Schweiz auf grüne Treibstoffe setzen will, zeigt das Beispiel Postauto. Die gelbe Post-Tochter wird künftig im Kanton Aargau verstärkt auf Wasserstoff-Busse setzen. Mit grünem Wasserstoff von Axpo. Guy Bühler, Leiter Wasserstoff bei Axpo und Véronique Abrate, Leiterin Biogas International über Markthürden und lokale Potenziale rund um grüne Treibstoffe der Zukunft.

Guy Bühler, im Industriegebiet Wildischachen in Brugg sind vor gut zwei Wochen die Bagger aufgefahren. Es geht also vorwärts. Wie steht es aktuell um die geplante H2-Anlage?

Grüner Wasserstoff ist ein wichtiger Bestandteil der Dekarbonisierung, davon sind nicht nur wir, sondern davon ist auch die Branche überzeugt. In dieser ersten Phase geht es in Wildegg-Brugg jetzt darum grünen Wasserstoff an die Tankstelle unserer lokalen Partnerin Voegtlin-Meyer, Betreiberin der lokalen Postautoflotte, zu liefern. Das wird ab Anfang 2026 jetzt mal aus unseren Wasserstoff-Anlagen in Domat/Ems und – sobald betriebsbereit – aus Bürglen im Kanton Uri geschehen. Das Projekt erfolgt etappenweise. In weiteren Schritten und bei entsprechendem Marktumfeld können wir die Anlage dann bis zu 15 MW ausbauen.

Es gibt auch Stimmen, die sagen, es gäbe zu wenig Abnehmerinnen und Abnehmer, es lohne sich nicht in Wasserstoff-Projekte zu investieren.

Bei grünem Wasserstoff haben wir das sogenannte Huhn-Ei-Problem. Es braucht Abnehmerinnen und Abnehmer, es braucht aber auch Produzentinnen und Produzenten. Aktuell hinkt die Nachfrage dem Angebot hinterher, was aber nicht heisst, dass sich die Projekte nicht rechnen werden. Axpo leistet hier Pionierarbeit bspw. mit der Anlage in Domat/Ems, wo wir übrigens auch schon kleinere Mengen Wasserstoff verkauft haben. Dass Axpo an den Wasserstoff-Hochlauf glaubt, zeigen ja auch unsere Projekte im In- und Ausland, ich denke da an die erwähnte Anlage in Graubünden oder an die Anlage in Bürglen, welche ein Schiff auf dem Vierwaldstättersee beliefern wird. 

Spatenstich für die zweite H2-Anlage von Axpo in Bürglen im Kanton Uri. Der grüne Wasserstoff wird unter anderem für den Betrieb eines Wasserstoffpassagierschiffs auf dem Vierwaldstättersee verwendet.

Angesprochen auf die Projekte im Ausland. Wo stehen wir da aktuell in den verschiedenen Projekten?

Sie alle entwicklen sich weiter, wenn auch langsamer als erwartet. Erwähnen möchte ich speziell ein Projektim Bereich der Mobilität in Frankreich im Val d’Arve, wo die Bauarbeiten demnächst beginnen werden. Ein spannendes Feld ist auch Island. Durch unsere Partnerschafft bei SGGI, sind wir da sehr nah dran, wenn es um die Herstellung erneuerbaren synthetischen Treibstoffen geht und natürlich unsere Offensivstrategie im Bereich Biogas bspw. in Polen, Spanien oder Portugal.

Da kommen Sie in Spiel, Véronique. Was machen wir im Bereich Biogas genau bei Axpo? Was ist das Ziel?

Erdgas spielt eine wichtige Rolle im Energiesystem: in einigen Ländern für die Stromerzeugung, in allen Ländern für die Heizung und für industrielle Prozesse. Das in Europa verwendete Gas ist hauptsächlich fossiler Herkunft und wird importiert. Es ist daher nicht klimafreundlich und schafft geopolitische Abhängigkeiten, die uns allen nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine bewusst geworden sind. Biogas – ebenso wie grüner Wasserstoff – ist eine Alternative zu Erdgas für Anwendungen, die nicht elektrifiziert werden können. Biogas ist lokal und erneuerbar, da es aus regionalen organischen Reststoffen und Nebenprodukten hergestellt wird. Deshalb möchte Axpo dieses Produkt seinen Industriekunden anbieten. Neben unserem Schweizer Portfolio baut Axpo nun Biogasanlagen in Italien, Spanien, Portugal und Polen.

Die derzeit grösste Produktionsanlage für grünen Wasserstoff der Schweiz steht in Domat/Ems im Kanton Graubünden.

Können Sie ein Beispiel machen?

Axpo hat beispielsweise Biomethan-Projekte in Italien gekauft. Die Anlagen in Basilica und Sizilien werden jeweils rund 45 GWh erneuerbare Energie pro Jahr produzieren und zwischen Ende 2025 und der ersten Hälfte des Jahres 2026 in Betrieb gehen. In Spanien beispielsweise speist die Biomethananlage in Torre Santamaría derzeit jährlich 26 GWh Biomethan ins Gasnetz ein und wird ihre jährliche Biomethanproduktion auf 115 GWh mehr als vervierfachen. All dies ist eine sehr konkrete Investition in erneuerbare grüne Gase.

Biogas haben wir aber auch in der Schweiz?

Absolut. Unsere Kolleginnen und Kollegen von der Abteilung Biomasse haben ein beindruckendes Portfolio in der Schweiz. Axpo ist die grösste Schweizer Produzentin von erneuerbaren Energien und natürlich spielen da auch die erneuerbaren Energien aus biogenen Abfällen eine Rolle. Die Axpo Biomasse AG mit ihren 15 Trockenvergärungsanlagen produziert Wärme, Strom und Biogas. Diese Energien können u.a. für die Beheizung von Immobilien oder für die Mobilität genutzt werden.

Zurück zum Thema Wasserstoff. Postauto hat angekündigt mehrere Wasserstoffbusse in der Region Brugg im Aargau einsetzen zu wollen. Also gibt es doch Abnehmerinnen und Abnehmer, Guy Bühler?

Ja, das Beispiel Postauto zeigt, dass Potenzial vorhanden ist. Unsere Partnerin Voegtlin-Meyer, die die Busse im Auftrag der Postauto AG betreiben wird, sieht das ebenso. Postauto wird insgesamt 8 Wasserstoff-Busse anschaffen, die dann voraussichtlich ab Sommer 2026 auf den Strassen in der Region Brugg eingesetzt werden und mit grünem Treibstoff von Axpo unterwegs sein werden. Wir gehen davon aus, dass sich solche Busse auch in anderen Regionen mit langen und hügeligen Routen durchsetzen werden. Klar ist: Wir müssen nahe an die Preise der fossilen Brennstoffträger rankommen. Das ist und bleibt eine Herausforderung. Deswegen und um nicht in brachliegende Anlagen zu investieren bauen wir unsere H2-Anlage in Brugg – wohl verstanden die dritte Anlage in unserem Portfolio – ja auch in Etappen, je nach Martkentwicklung. Um den Wasserstoffmarkt in der Schweiz und Europa aktiv mitgestalten hat Axpo  auch die Vernetzungsplattform MatcH2 lanciert,  wo wir verschiedene Wasserstoff-Akteure zusammenbringen. Am Ende brauchen wir eine Nachfrage und das entsprechende Angebot. Das Beispiel Wildegg-Brugg und die Postautos welche künftig mit grünem Wasserstoff von Axpo fahren ist dafür doch eigentlich ein ganz schönes Beispiel, oder?

 

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