04.07.2017 | Forscher arbeiten an innovativen Windkraftanlagen

Mit Drachen Strom produzieren

Menschen nutzen die Windkraft schon lange. Früher waren es Windmühlen, heute sind es die gängigen Windkraftwerke mit den Rotoren. Doch es geht auch anders. Davon sind Forschende und Energieunternehmen überzeugt. Sie arbeiten an Anlagen mit Drachen oder Flugzeugen, welche stärkeren Wind in grösseren Höhen ernten als dies die heutigen Windkraftwerke tun.

Wer heute von Windkraft spricht denkt dabei an „offshore“ und „onshore“ und die klassische Windkraftanlage mit einem fest verankerten Turm mit Gondel und Rotorblättern. Doch es geht auch anders. Airborne Wind Energy (AWE) heisst das „Zauberwort“. Es handelt sich dabei um Systeme, welche die Windenergie auf unkonventionelle Weise zur Stromerzeugung nutzen. Dabei handelt es sich um auftriebgenerierende Flugsysteme, wie Drachen oder kleine Flugzeuge, welche über ein Seil einen Generator am Boden antreiben. Aufgrund der flexibel einstellbaren Seillänge kann das Flugobjekt grosse Höhen erreichen. Dort weht der Wind im Allgemeinen beständiger und stärker als weiter unten.

Interessante Projekte

In der Schweiz beschäftigen sich Start ups, ETH und Fachhochschulen (bspw. FH Nordwestschweiz) in verschiedenen Projekten mit diesem Bereich. Auch ein Team von acht Studenten der ETH Zürich forscht über solch autonome Flugsysteme. Ihr Ziel: Sie wollen bis in einem Jahr ein Airborne Wind Energy System entwickeln - von der Idee bis zu einem optimierten Prototypen. Und sagen dazu: „Mit unserem Projekt zeigen wir auf, dass die Fragen der zukünftigen Energieversorgung nicht nur von konventionellen Technologien beantwortet werden können.“

Die effiziente Nutzung nachhaltiger und schonender Energiequellen sei heute aktueller denn je, kommentiert Prof. Dr. Paolo Ermanni, Prorektor Weiterbildung an der ETH Zürich.

So funktioniert es

Die technischen Möglichkeiten zur Gewinnung von Strom lassen sich grundlegend in zwei Systeme unterscheiden. Während bei den einen Anlagen der Generator direkt am Fluggerät angebracht ist und der produzierte Strom über ein Kabel zum Boden geleitet wird, stehen in Europa heute eher die Systeme im Fokus, bei denen der Strom in einer Bodenstation generiert wird. Dabei wird Strom während zwei Phasen produziert. Während der ersten Phase – der Traktionsphase – wird der Auftrieb des Flugobjekts über ein Seil auf einen Generator übertragen. Die Seilrolle wird kontinuierlich abgerollt und dadurch Strom erzeugt, bis die optimale Höhe erreicht wird.

In der zweiten Phase – der Einzugsphase – wird das Flugobjekt wieder eingeholt. Dabei wird durch optimierte Steuerung und Konstruktion des Objekts weniger Energie verbraucht, als in der ersten Phase erzeugt wurde. Aufgrund der vorgesehenen kreisförmigen Flugbahn kann eine sehr hohe Effizienz erreicht werden.

Besser als Windräder?

Im Ausland (insbesondere in den USA und in Holland) existieren etliche Start ups, welche derartige Fluggeräte bereits entwickelt haben und damit Tests durchführen. Ganz vorne mischt hier auch der deutsche Stromriese E.on mit. In Irland (Bezirk Mayo) soll ein Test und Demonstrationsfeld für diese laut E.on „möglicherweise bahnbrechende Technologie für die Erzeugung erneuerbaren Stroms aus Wind“ entstehen. Dort sollen die verschiedenen Fluggeräte in etwa 450 Meter über dem Boden getestet werden – also in Höhen, die herkömmliche Windkraftwerke, welche Wind in 150 bis 200 Meter über Boden ernten, nie erreichen.

Weniger „störend“

Als Fluggeräte sind derzeit entweder Drachen oder vollautomatisch aufsteigende Segelflugzeuge im Test. Drachen haben dabei den Vorteil, dass für die Energieernte nur noch ein Minimum an Material in der Luft gehalten werden muss. Die mit Sensoren bestückten Segelflieger sind aufwendiger, sollen aber besser steuerbar sein und stabiler Strom produzieren. Beiden ist aber gemeinsam, dass sie aufgrund ihrer Konstruktionen deutlich weniger sichtbar sind als die oft als „Spargel“ kritisierten Windkraftwerke und dass für die Stromernte im Vergleich mit klassischen Windanlagen deutlich weniger Beton und Stahl verbaut wird. Die Firma „Ampyx“ aus Holland verspricht: „Derselbe Output, aber 90 Prozent weniger Material“. Die Pioniere dieser Technologie glauben auch, mit ihrer Technik Windstrom gewinnbringend ohne Subventionen produzieren zu können. So prognostiziert das deutsche Start up „Enerkite“ mit ihren Flugdrachen Windstrom zu Gestehungskosten von zwei bis vier Cent pro Kilowattstunde ins Netz einspeisen zu können.

Auch bei Axpo verfolgt man AWE-Projekte bereits seit einiger Zeit mit Interesse. Oliver Kopp, Head Investment Management neue Energien bei Axpo glaubt, dass die AWE „eine Ergänzung der onhsore Windenergie“ sein könnte. „Weil sie die stärkeren und stetigeren Höhenwinde nutzen, sind sie auch an windschwachen Standorten einsetzbar und verfügen über rund doppelt so viele Volllaststunden.“ Darüber hinaus erforderten diese Systeme aufgrund ihrer Bauweise deutlich weniger Ressourcen und seien mobil und damit vielfältig einsetzbar. Allerdings sei es heute „für eine tragfähige Aussage zur Wirtschaftlichkeit der AWE noch deutlich zu früh“. Produkte für die kommerzielle Nutzung sind heute noch nicht verfügbar. Erste visionäre Unternehmen und Investoren engagieren sich aber bereits: „Die Übernahme der Firma Makani, einem führenden Unternehmen in diesem Bereich, durch Google lässt die Einführung der kommerziellen Nutzung in absehbarer Zeit erahnen“, glaubt Kopp.

Weitere Details zu den Projekten gibt es in diesen Videos:

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