19.08.2018 | Freileitungsmonteure im Einsatz für Axpo

Ein Beruf mit Aussicht

Sie wagen täglich den Seilakt in schwindelerregender Höhe - für Axpo, für Drittunternehmen und vor allem für ein sicheres Stromnetz in der Schweiz. Freileitungsmonteure arbeiten dort, wo sonst ausser Vögeln niemand hinkommt: Hoch oben auf den Strommasten und Hochspannungsseilen des Schweizer Stromnetzes reparieren die Axpo Monteure Schäden und leisten mit viel Körpereinsatz einen wesentlichen Beitrag für eine hohe Versorgungssicherheit.

Gespannt beobachten wir den Monteur hoch oben auf der Freileitung rund 20 Meter über dem Boden. Und irgendwie sind wir dabei froh, selber sicheren Boden unter den Füssen zu wissen. Wer das flaue Gefühl im Magen kennt, das einem beim Aufstieg auf den Aussichtsturm schon bei der Hälfte zwingt, wieder umzukehren, der sollte den Beruf des Freileitungsmonteurs definitiv nicht wählen. Doch der Beruf erfordert weit mehr als bloss Schwindelfreiheit. Wir haben Thomas Steiner, der seit bald 20 Jahren als Freileitungsmonteur bei Axpo Netze tätig ist, bei einem Einsatz mit seinem Team begleitet.

«Man muss sich auf seine Kollegen verlassen können»

Der Tag beginnt früh. Je nach Einsatz auch im Auftrag für Drittunternehmen sind die Axpo Monteure in der ganzen Schweiz unterwegs. Heute treffen wir Thomas mit seinen Arbeitskollegen in Unterterzen beim Walensee. Ein Leiterseil wurde oberhalb des Sees während des Sturms Burglind durch einen herabfallenden Baum beschädigt und muss repariert werden.

Der gemeinsame Morgenkaffee mit den Kollegen dient als letzte Vorbesprechung. «Als Freileitungsmonteure arbeiten wir nie alleine, sondern schon alleine aus Sicherheitsgründen immer mindestens zu zweit. Teamarbeit ist wichtig. Einmal hoch oben hat man wenig Flexibilität und muss sich zu hundert Prozent auf seine Kollegen verlassen können», erklärt uns Thomas.

Während er sich mit Arbeitskollege Sepp auf den Weg zur Arbeitsstelle macht, stellt ein weiterer Kollege mit der Netzleitstelle in Baden sicher, dass der entsprechende Leitungsabschnitt während der Reparaturarbeiten ausgeschaltet ist. Jeder Strommast in der Schweiz ist mit einer Nummer sowie Angaben zur Leitung und Leitungsbesitzer vermerkt, so dass eine Identifikation des beschädigten Leitungsabschnitts rasch möglich ist. Alleine das Axpo Mittel- und Hochspannungsnetz misst 2200 Kilometer und zählt rund 8'000 Masten.

Brennnesseln und Blasen an den Füssen

Wir haben Glück - «unser» Masten bzw. das kaputte Leiterseil befindet sich diesmal an gut zugänglicher Stelle nahe eines asphaltierten Wanderwegs, sodass wir mit dem Auto bis zur Arbeitsstelle fahren können. So «bequem» ist die Anreise nicht immer, weiss Thomas aus eigener Erfahrung: «Ein Fussmarsch von 10 bis 30 Minuten den Berg hinauf mit bis zu 200kg schwerem Material auf dem Rücken und auf Motorkaretten ist die Regel». Bei sehr abgelegenen Standorten im alpinen Gelände kommen auch Helikopter zum Einsatz.

Nicht nur der Weg, auch die Arbeitszeit kann je nach Standort variieren. Vor allem bei Hochspannungsleitungen entlang einem Bahntrasse oder über einer Autobahn muss auch in der Nacht gearbeitet werden.

Für heute bleibt das Brennnesselgestrüpp, in Mitten dessen sich der Strommasten befindet, die einzige Hürde auf dem Weg. Eine Zeckenimpfung ist nicht umsonst ein Muss für jeden Monteur.

Sicherheit hat oberste Priorität

Wir schauen mit Respekt den 20 Meter hohen Hochspannungsmasten hoch, den Thomas heute für die Netzreparatur erklimmen muss, und erinnern uns an die eigenen zitternden Knie auf dem Zehn-Meter-Sprungbrett in der Badi. Für Thomas ist die Höhe kein Problem, Je nach Masten arbeiten die die Monteure bis zu 100 Meter über Boden. Dennoch warnt Thomas: «Ob 20 oder 100 Meter, egal welche Arbeit – die Höhe und Arbeit darf nie zur Routine werden. Das wäre gefährlich, denn bei der Arbeit hoch oben auf dem Seil braucht man grösste Konzentration und muss schnell reagieren können.»

Das Tragen von Helm, Sicherheitsgurt sowie langen Hosen und Handschuhen, die vor Verletzungen schützen, ist Pflicht. Die Sicherheit des Monteurs hat stets oberste Priorität. Der Monteur ist immer lückenlos gesichert. Ein Seil, das den Monteur hoch oben mit dem «Bodenmann» verbindet, dient dem Materialtransport. In Notfällen kann der zweite Mann an Boden rasch Hilfe leisten oder Rettung avisieren. Alle Monteure sind als Ersthelfer ausgebildet und werden regelmässig für Notfälle beübt. Schwere Unfälle gab es zum Glück bisher nicht.

Ein Kraftakt mit Balancegefühl

Nicht jeder Strommast besitzt eine Treppe für den Aufstieg. Auch dieser heute nicht. So muss sich Thomas Stück für Stück den Weg nach oben mit Treppenversatzstücken selber bauen. Das Material wird mit einem Seil, manchmal mit einer Seilwinde oder einem Kran, hochgezogen. Ein Kraftakt.

Thomas ist ehemaliger Kranzschwinger, Schiedsrichter und seit diesem Frühjahr sogar Ehrenmitglied des Eidgenössischen Schwingerverbands. Hilft die Erfahrung und Kraft als ehemaliger «Böser im Sägemehl» beim Kraftakt auf 100 Meter Höhe? «Für den Beruf muss man sicher körperlicher fit sein», erklärt Thomas. «Fast alle Monteure betätigen sich in der Freizeit sportlich. Nicht das Alter entscheidet, wie lange man hinaufsteigen kann, sondern die körperliche Fitness».

Zwei Wanderinnen, die gerade den Weg passieren bleiben mit offenem Mund stehen und bestaunen, wie Thomas hoch oben wie ein Zirkuskünstler auf den schmalen Auslegern der Strommasten hantiert. Balancegefühl und Trittsicherheit ist ebenso gefragt, wie Kraft und handwerkliches Geschick.

Training on the job

Im Freileitungsbau finden sich Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Ausbildungsberufen, hauptsächlich jedoch mit Berufsabschluss im handwerklichen Bereich. Im Idealfall hat man eine verwandte Ausbildung absolviert, wie etwa Netzelektriker, Elektromonteur, Schlosser oder auch Forstarbeiter. Die fachspezifischen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt man dann im Berufsalltag. Schwindelfreiheit, Balancegefühl und Trittsicherheit sollte man als körperliche Disposition mit sich bringen, genauso wie körperliche Fitness. Axpo beschäftigt rund 25 Freileitungsmonteure, die auch für andere Netzbetreiber in der ganzen Schweiz im Einsatz sind.

«Das Wetter zählt zu den grössten Herausforderungen»

Mit einer Art Wagen, das auf dem Leiterseil montiert wird, schiebt sich Thomas langsam zur Reparaturstelle vor. Dort muss er eine 3kg schwere Reparaturspirale über die beschädigte Stelle wickeln.

Hoch oben muss jeder Griff sitzen. Je nach Arbeit bleiben die Monteure mehrere Stunden am Stück dort –Trinkpausen werden so bei traumhafter Aussicht eingelegt.

Die Sonne brennt und während wir uns unten in den Schatten verkriechen können, ist der Monteur der prallen Hitze ausgeliefert. «Das Wetter zählt für uns zu den grössten Herausforderungen,» erklärt uns Thomas. «Mal ist es die glühende Hitze im Sommer, mal eisige Temperaturen im Winter. Das ideale Wetter gibt es eigentlich fast nie» Die Monteure arbeiten das ganze Jahr hindurch bei praktisch jedem Wetter. Einzig Starkniederschlag oder Blitz und Donner zwingen die Monteure, die Arbeiten sofort einzustellen und aus Sicherheitsgründen runter zu klettern. In der Regel weiss man dies dank zuverlässiger Wetterprognosen im Voraus und kann die Arbeiten entsprechend planen.

Faszination Natur

Den Leitungsabschnitt am Walensee konnte Thomas erfolgreich reparieren. Der Arbeitstag ist für ihn und seine Kollegen aber noch lange nicht zu Ende. Für die Freileitungsmonteure stehen zahlreiche Arbeiten am Boden an, wie z.B. Masten aufstellen und abbauen, Mastkontrollen oder Waldarbeiten, um Leitungen vor wuchernden oder umstürzenden Bäumen zu schützen, um nur einige der Tätigkeiten zu nennen.

Was fasziniert auch nach 20 Jahren noch am Beruf als Freileitungsmonteur?, wollen wir zum Schluss von Thomas wissen. «Mich fasziniert immer wieder die Höhe, auf der wir uns bewegen. Die Ruhe und die Natur dort oben sind einmalig - und am Abend das befriedigende Gewissen, einen Beitrag für eine sichere Stromversorgung in der Schweiz geleistet zu haben».

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