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27.06.2025 | Versorgungssicherheit und freie Anbieterwahl

Stromabkommen: das bedeutet es für die Verbraucher

Der Bundesrat hat das Stromabkommen mit der EU und die geplanten Schweizer Gesetzesänderungen präsentiert. Mit dem Stromabkommen wird die Schweiz besser in den europäischen Strombinnenmarkt integriert, was die Versorgungssicherheit stärkt. Die Übernahme von EU-Gesetzen bringt auch die freie Anbieterwahl für alle Verbraucher und entsprechende Einsparungen mit sich. Eine Übersicht.

Am 13. Juni war es endlich so weit: Der Bundesrat veröffentlichte das im vergangenen Jahr intensiv verhandelte und bisher geheim gehaltene Stromabkommen. Das Stromabkommen soll die Schweiz besser in den EU-Strommarkt integrieren, verlangt aber ein Angleichen der Schweizer Gesetzgebung an den Rechtsrahmen der EU (EU acquis). Am selben Tag hat der Bundesrat auch die Vernehmlassung der geplanten Schweizer Gesetzesrevisionen gestartet. Beides zusammen zeichnet ein Bild der zukünftigen Schweizer Stromversorgung, falls Parlament und ggfs. das Volk das Stromabkommen annehmen.

Stärkung der Versorgungssicherheit

Für Verbraucher ist es zentral, dass die Stromversorgung zu jedem Zeitpunkt sichergestellt ist. Der Fall Spanien vor einigen Wochen zeigt exemplarisch, welche Unsicherheiten und Schäden bei einem grossflächigen Stromausfall auftreten. Dass die Versorgungssicherheit der Schweiz heute sehr hoch ist, hängt – neben den Produktionskapazitäten im Inland – insbesondere auch mit der guten technischen Einbindung in das kontinentaleuropäische Stromnetz zusammen. In den letzten Jahren zeigten sich aufgrund des Fehlens eines Stromabkommens aber immer grössere Herausforderungen. Die Schweiz ist beispielsweise nicht vollständig in die Kapazitätsberechnung der EU integriert und es droht die Nicht-Berücksichtigung der Schweiz im Zuge der sog. 70%-Regel, mit der die EU die Stromflüsse zwischen den Mitgliedstaaten stärken will. Damit einher geht das latente Risiko, dass die EU-Anrainerstaaten ihre Grenzkapazitäten zur Schweiz und damit die Importfähigkeit der Schweiz reduzieren. Zusätzlich ist die Schweiz aktuell von den Regelenergieplattformen der EU ausgeschlossen, was den Umgang mit Unausgeglichenheiten im Inland erschwert.

Ein Stromabkommen würde diesen Herausforderungen Abhilfe schaffen. Die Schweiz würde besser in den EU-Strombinnenmarkt integriert und könnte an den wichtigen Gremien teilnehmen. Das Stromabkommen beinhaltet auch das Versprechen beider Seiten, im Falle von Stromversorgungskrisen zusammenzuarbeiten und nachteilige Eingriffe in den grenzüberschreitenden Stromflüsse zu unterlassen. Für Verbraucher ergibt sich durch die bessere Einbindung eine höhere Versorgungssicherheit bei tieferen Kosten.

Vollständige Strommarktöffnung

Im Rahmen des Stromabkommens verpflichtet sich die Schweiz, ihren Strommarkt auch für Haushalte und andere Kleinverbraucher zu öffnen. Die vollständige Strommarktöffnung ist ungeachtet eines Abkommens längst überfällig. Sie ermöglicht allen Verbrauchern, günstigere Anbieter zu wählen und von einer grösseren Produktauswahl zu profitieren. Für einen Durchschnittshaushalt, der heute im Versorgungsgebiet an einen teuren Anbieter gebunden ist und zukünftig zu einem preisgünstigen Versorger wechseln kann, sind Einsparungen von mehr als 1000 CHF pro Jahr möglich. Zudem hätten neu alle Kunden Zugang zu dynamischen Energietarifen, mit denen sie durch Steuerung ihres Verbrauchs zur Systemstabilität beitragen und von tieferen Kosten profitieren können.

Auch mit Marktöffnung wird es zukünftig eine Grundversorgung geben; eine solche sieht auch das EU-Recht vor. Kleinverbraucher könnten also auch weiterhin bei ihrem lokalen Versorger in der Grundversorgung verbleiben. Der Anspruch auf Grundversorgung gilt gemäss Bundesrat zukünftig jedoch nur noch für Kunden mit weniger als 50 MWh Verbrauch (Vergleich Durchschnittshaushalt: 4.5 MWh). Die grösseren Verbraucher wählen ausschliesslich zwischen den verschiedenen Marktprodukten. In der Grundversorgung soll die Regulierung gemäss Stromgesetz grösstenteils weiterführgeführt werden. Das heisst, die Tarife würden weiterhin auf Basis der Beschaffungs- und Produktionskosten der Versorger gebildet und von der Regulierungsbehörde ElCom überwacht. Der Wechsel in und aus der Grundversorgung wäre fortlaufend möglich. Allerdings fallen bei unterjährigen Aus- und Eintritten Wechselgebühren an, um die Versorger mit Blick auf bereits getätigte resp. kurzfristig notwendige Beschaffungen schadlos zu halten.

Flankierend plant der Bundesrat Massnahmen zum Schutz der Verbraucher. Dabei übernimmt er weitgehend EU-Recht. Erstens müssen sich Stromlieferanten zukünftig bei der ElCom registrieren und gewisse Anforderungen erfüllen (z.B. Kundendienst im Inland und ausreichend personelle Ressourcen). Zweitens gibt es gewisse Mindestanforderungen an Vertragsinhalt und -gestaltung. Drittens soll die ElCom ein unabhängiges Vergleichsportal für Stromlieferverträge zur Verfügung stellen. Viertens wird eine Ombudsstelle geschaffen, welche bei Streitigkeiten zu Verträgen vermittelt. Zuletzt soll die ElCom ein Monitoring über die Wirkung der Marktöffnung betreiben, auf dessen Grundlage der Bundesrat zusätzliche Massnahmen treffen kann. Sie beobachtet dabei auch Arbeitsbedingungen in der Strombranche, ein Bereich, der über das EU-Recht hinaus geht und damit einen sog. Swiss-finish darstellt.

Wegfall Mindestrückliefervergütung

Verbraucher mit einer eigenen Solaranlagen dürfte weniger erfreuen, dass die mit dem Stromgesetz auf 2026 eingeführte Mindestrückliefervergütung für erneuerbaren Strom wegfallen soll. Der eingespeiste Strom soll mit Blick auf EU-Recht zukünftig nur noch anhand der stündlichen Marktpreise vergütet werden. Zum einen werden damit Fehlanreize vermieden, Solarstrom während Zeiten mit negativen Preisen resp. Systemstress einzuspeisen. Zum anderen entfällt die mit einer Mindestrückliefervergütung verbundenen Förderung zulasten der Grundversorgung. Negative Auswirkungen auf die Rentabilität von Solaranlagen könnten dabei durch die Förderinstrumente wie die Einmalvergütung abgefangen werden. An einer Anpassung zur stündlichen Vergütung arbeitet aktuell auch das Parlament im Zuge des Beschleunigungserlasses, allerdings unter Beibehalt einer Mindestrückliefervergütung. 

Indirekte Effekte

Das Stromabkommen beinhaltet viele weitere Änderungen für den Schweizer Strommarkt, von denen Verbraucher aber eher indirekt betroffen sind. Erstens werden verschiedene EU-Gesetze direkt anwendbar, welche auch Bereiche wie die Marktorganisation, den Handel oder eher technische Vorgaben (sog. Network Codes und Guidelines) betreffen. Beispielsweise wird eine stärkere Entflechtung der grösseren Verteilnetzbetreiber verlangt. Zweitens verpflichtet sich die Schweiz, ihre Stromreserven und Förderinstrumente für erneuerbare Energien zukünftig in Einklang mit dem EU-Recht auszugestalten. Drittens macht das Stromabkommen gewisse institutionelle Vorgaben, wie z.B. die dynamische Rechtsübernahme. Damit würden allfällige Änderungen im EU-Recht zukünftig auch in der Schweiz gelten resp. ins Stromabkommen übernommen. Die EU plant in den nächsten Jahren allerdings insbesondere Massnahmen für mehr Preissicherheit und aktive Mitwirkung der Verbraucher resp. «Prosumer».

Risiko Regulierungsdichte

Für Verbraucher bedeutet das Stromabkommen mit mehr Versorgungssicherheit und Wahlfreiheit insgesamt vor allem positive Aspekte. Durch Einführung flankierender Massnahmen und Übernahme von detailliertem EU-Recht besteht allerdings auch das Risiko einer höheren Regulierungsdichte mit entsprechenden volkswirtschaftlichen Kosten. Eine möglichst pragmatische und schlanke Umsetzung kann dieses Risiko etwas mindern. Gleichzeitig bietet das Stromabkommen aber auch Chancen, um bestehende Regulierung abzubauen. Insbesondere würde sich durch die freie Anbieterwahl für alle Verbraucher die Möglichkeit eröffnen, die Regulierung der Grundversorgung stark abzubauen. Bleibt zu hoffen, dass Politik und Behörden die Disziplin hochhalten und die Chancen nutzen.

 

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