05.09.2025 | Wie alles begann
Am 6. September 1965 wurde auf der kleinen Aare-Insel Beznau bei Döttingen ein zukunftsweisendes Kapitel aufgeschlagen. Mit dem offiziellen Spatenstich für das Kernkraftwerk Beznau begann eine neue Ära der Schweizer Energieversorgung. Sechzig Jahre später blicken wir zurück auf Mut, Technikbegeisterung – und eine Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert. Mit über 800’000 Betriebsstunden ist das KKW Beznau heute Weltrekordhalter.
Die Schweiz der 1960er Jahre war geprägt von Wachstum, Wohlstand und Zuversicht. Die Wirtschaft brummte, die Bevölkerung wuchs und der Stromverbrauch stieg Jahr für Jahr um zweistellige Prozentsätze. Die Wasserkraft, Rückgrat der Elektrizitätsproduktion, stiess zunehmend an ihre Grenzen. Neue Lösungen waren gefragt, um den steigenden Bedarf zu decken.
Während dieser Aufbruchsstimmung fasste die damalige NOK (Nordostschweizerische Kraftwerke, heute Axpo) einen visionären Entschluss: den Bau des ersten kommerziellen Kernkraftwerks des Landes.
Beznau, eine unscheinbare Insel in der Aare, bot ideale Voraussetzungen: eine stabile geologische Lage, reichlich Kühlwasser, ein durch das Wasserkraftwerk bereits vorhandenes Gefälle und die Nähe zu den industriellen Zentren des Mittellands.
Ein Festakt mit Symbolkraft
Der 6. September 1965 war nicht einfach ein kalendarischer Termin, sondern ein symbolischer Moment. Bundesrat, Politik, Wirtschaft und Bevölkerung versammelten sich, um den Spatenstich zu feiern. Für viele bedeutete er den Beginn einer neuen Zeitrechnung: Kernenergie stand für Fortschritt, für sichere und günstige Stromversorgung, für die Unabhängigkeit der Schweiz von fossilen Brennstoffen.
Fotos jener Tage zeigen Politiker mit Helmen, Ingenieure mit leuchtenden Augen und Kinder, die staunend die Bagger betrachten. Beznau war ein Projekt, das nicht nur gebaut, sondern auch gelebt wurde.
Pionierarbeit – Schweizer Präzision trifft amerikanische Technik
Das Kernkraftwerk Beznau war ein technisches Wagnis. Als Reaktortyp wählte man einen Druckwasserreaktor der US-Firma Westinghouse – ein bewährtes Konzept, das in den USA bereits im Einsatz war, in Europa bis dato aber noch nicht. .
Die Ingenieure in Döttingen standen vor gigantischen Herausforderungen: Betonarbeiten, die den damaligen Massstab sprengten, Komponenten, die es in dieser Grösse bislang nicht gab, und ein Netzanschluss, der völlig neue Dimensionen erforderte.
Beznau war von Anfang an als Doppelblock-Anlage geplant. Am Bau waren neben der NOK weitere Partner involviert: Westinghouse (Reaktor), BBC/ABB (Turbinen) sowie verschiedene Schweizer und internationale Bau- und Ingenieurfirmen ermöglichten den Bau des ersten kommerziellen Kernkraftwerks des Landes.
Das Kernkraftwerk Beznau mit seinen zwei Reaktoren wurde mit typisch schweizerischer Präzision erbaut. Nach erfolgreichem Testbetrieb ging 1969 Beznau 1 ans Netz, 1972 folgte Beznau 2. Gemeinsam leisteten sie von Beginn an einen entscheidenden Beitrag zur Versorgungssicherheit.
Beznau als Herzstück der Energieversorgung
Sechzig Jahre nach dem Spatenstich ist Beznau längst mehr als ein Kraftwerk. Es ist ein Symbol für Verlässlichkeit. Kaum eine Anlage in Europa kann auf eine vergleichbare Betriebsdauer zurückblicken – und das bei höchsten Sicherheitsstandards.
Heute liefert Beznau jährlich rund 6 Terawattstunden Strom. Das entspricht etwa zehn Prozent der Schweizer Stromproduktion – zuverlässig, CO₂-arm und rund um die Uhr.
Menschen im Mittelpunkt
Hinter dem Erfolg von Beznau stehen Generationen von Fachleuten: Ingenieurinnen, Techniker, Sicherheitsfachkräfte, Betreiberinnen. Viele von ihnen haben ihr ganzes Berufsleben auf der Aare-Insel verbracht – und ihr Wissen an die nächste Generation weitergegeben.
„Der Beznau-Spirit ist etwas Besonderes und täglich spürbar“, sagt Kraftwerksleiter Nicolai Braun. „Wir sind stolz, Teil eines Pionierwerks zu sein, das bis heute einen wichtigen Beitrag für die Schweiz leistet.“
Wandel durch Innovation
Zwar war die Anlage nicht immer in am Netz, etwa während Revisionen, Brennelementwechsel, Nachrüstungen oder Sicherheitsüberprüfungen. Stillstand hat es in Beznau aber nie gegeben: In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Anlage laufend modernisiert, verstärkt und an neue Sicherheitsanforderungen angepasst.
Von digitalen Leittechniksystemen über modernisierte Kühlsysteme bis hin zu umfassenden Erdbeben- und Hochwasserschutzmassnahmen: Die Investitionen von Axpo in die Sicherheit belaufen sich auf über 2,5 Milliarden Franken – und sie zeigen, dass ein Kraftwerk über Jahrzehnte weiterentwickelt und auf dem neuesten Stand gehalten werden kann.
Diese kontinuierliche Modernisierung hat Beznau zu einem der sichersten Kernkraftwerke der Welt gemacht.
Kernenergie im Kontext der Energiewende
Wenn wir heute über Beznau sprechen, dann nicht nur in der Vergangenheit, sondern vor allem mit Blick auf die Zukunft. Der Klimawandel stellt die Schweiz vor enorme Herausforderungen. Der Stromverbrauch steigt weiter – durch Elektromobilität, Wärmepumpen und Digitalisierung. Gleichzeitig soll die Energieversorgung CO₂-neutral und unabhängig bleiben.
Beznau zeigt, dass Kernenergie auch in der Energiewende eine zentrale Rolle spielen kann. Als verlässliche Stromquelle ergänzt sie erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft – und sorgt für die nötige Versorgungssicherheit. . Strom aus Kernenergie ist zudem klimafreundlich. Seit der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Beznau konnte Axpo fast 350 Millionen Tonnen an CO₂-Emissionen einsparen. Es wären etwa 500 Millionen Bäume nötig, um diese Menge CO₂ aus der Luft zu filtern.
60 Jahre danach: Ein Blick zurück – und nach vorn
Der Spatenstich von 1965 war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert. Beznau steht für Pioniergeist, für Technik, für Versorgungssicherheit – und für die Menschen, die dieses Kraftwerk über Jahrzehnte getragen haben. Nicht umsonst haben sie Rekorde aufgestellt: Zusammen kommen die Reaktoren auf über 800’000 Betriebsstunden. Das ist weltweit Spitze. Seit seiner Inbetriebnahme hat das Werk mehr als 300 Terawattstunden Strom produziert. Damit könnte man die ganze Schweiz fast 5 Jahre lang komplett mit Strom versorgen – Tag und Nacht. Doch die Zukunft wird eine neue Aufgabe bringen: Beznau wird 2032/33 vom Netz genommen. Damit endet eine Ära – und gleichzeitig beginnt eine neue Phase. Der Rückbau eines Kernkraftwerks ist eine Aufgabe, die höchste Sorgfalt, Präzision und Fachwissen erfordert. Das KKW Beznau bleibt noch bis Mitte der 40er Jahre ein spannender Arbeitsplatz mit interessanten Stellen.
Auch hier wird Beznau auf seine eigenen Mitarbeitenden setzen: auf ihre Erfahrung, ihr Know-how und ihre Verantwortung, die Sicherheit und den Schutz von Mensch und Umwelt weiterhin in den Mittelpunkt zu stellen. So wie sie das in den vergangenen sechs Jahrzehnten getan haben.
Am Jubiläum blicken wir zurück auf den Spatenstich des ersten kommerziellen Kernkraftwerks der Schweiz und erkennen: Es war der Beginn einer einzigartigen Erfolgsgeschichte. Beznau ist mehr als Beton, Stahl und Technik – es ist ein Stück Schweizer Identität. Und es beweist bis heute: Wer Mut zeigt, kann Geschichte schreiben.