11.09.2025 | Die Arbeit im Revisionsbüro Beznau
Die Revision des Kernkraftwerks Beznau ist eine komplexe Angelegenheit und gehört wohl zu den anstrengendsten und gleichzeitig faszinierendsten Phasen im Jahr. Es ist eine Zeit, in der ein Block des KKB stillsteht, unsere Kolleginnen und Kollegen aber auf Hochtouren arbeiten. Im Zentrum dieser Operation liegt das Revisionsbüro. Hier laufen alle Fäden zusammen. Ein eigener kleiner Kosmos, in den ich für einen halben Tag eintauchen durfte.
Michi und Dani, die beiden Schichtchefs, die das Revisionsbüro leiten, bieten mich aus Rücksicht auf meinen Anfahrtsweg «nicht so früh» auf. Um 7:00 Uhr morgens marschiere ich also durch die Bürotür. Den ersten grossen Ansturm hätte ich um diese Zeit bereits verpasst, gesteht mir Dani. Die meisten Arbeiterinnen und Arbeiter haben ihre Aufträge bereits gefasst.
Das Revisionsbüro ist in zwei Teile gegliedert: Erst kommt eine Art Eingangsbereich mit Fächern für die verschiedene Fachabteilungen und einem Tresen. Dahinter sind vier Arbeitsplätze, flankiert von Anlageplänen und -schemata. Links sind die verschiedenen Teile der Sekundäranlage, rechts der Primäranlage zu sehen. Die Arbeiten an den elektrischen Anlagen werden von einem separaten Büro nebenan organisiert. In diesem Revisionsbüro werden alle Aufträge, die an den mechanischen und nuklearen Teilen durchgeführt werden, minutiös koordiniert und überwacht. Hier werden Aufträge erteilt, geprüft, zeitlich abgestimmt und in die richtige Reihenfolge gebracht. Und ganz nebenbei wird eine liebgewonnene Tradition gepflegt: Sugus für alle! Eine willkommene Versüssung des oft straffen Tagesablaufs. Die Atmosphäre ist eine Mischung aus konzentrierter Professionalität und familiärem Zusammenhalt. Man kennt sich, arbeitet teilweise schon jahrzehntelang zusammen.
Verschiedene Mitarbeitende, interne wie auch Fremdpersonal, kommen an diesem Vormittag ins Revisionsbüro. Sie holen Aufträge ab, Unterschriften ein oder haben Fragen zur Anlage. Auf ihren Papieren reihen sich Kürzel aneinander, gesprochen wird in einer technischen Fremdsprache. Ich verstehe nur Bahnhof, aber Dani und Michi wissen gleich, um welchen Teil der Anlage es geht, kurzer Gegencheck im Planungstool sowie dem Schema an der Wand und schon ist die Sachlage geklärt. Ich bin mehrfach sprachlos angesichts der Anlagekenntnisse der beiden. Kein Wunder zwar, den beide arbeiten bereits länger im Kernkraftwerk Beznau. Michi fast so lange, wie ich alt bin. Diese Unternehmenstreue ist im KKB keine Seltenheit und ist Basis der familiären Atmosphäre. Die beiden Schichtchefs beantworten alle meine Fragen – auch die kritischen. Als ich nach ihrem Ablagesystem frage, schmunzelt Michi nur, «das ist eben unser Männerhaushalt». Eine unpassende Allegorie, wie ich finde, denn im Revisionsbüro im KKB ist es alles andere als chaotisch.
Was ich an diesem Vormittag im Revisionsbüro miterlebe, ist das Resultat eines eingespielten Teams. Bereits seit Monaten sind viele Mitarbeitende des KKB mit der Planung und der Vorbereitung der Revision beschäftigt. Jeder Fachbereich evaluiert, welche Arbeiten, Tests und Prüfungen an welchen Teilen der Anlage anstehen. Diese werden von den Fachspezialisten zusammengetragen und entsprechende Aufträge erstellt. Pro Auftrag gibt es ein Dossier, welches neben dem Auftrag, den Anlageteilen, deren Standort, deren Spezifikationen, notwendige Schalthandlungen auch wichtige Arbeitssicherheitshinweise beinhaltet.
Wer denkt, sobald die Anlage vom Netz ist, kann mit der Arbeit einfach losgelegt werden, irrt. Ventile müssen geöffnet oder geschlossen, Tanks geleert oder gefüllt, die Stromversorgung einzelner Teile aus- oder eingeschaltet werden und vieles mehr. Etwa 2500 Arbeitsaufträge mit unzähligen Schalthandlungen sind es in dieser Revision. Sie alle werden vom Revisionsbüro geschrieben, geprüft, koordiniert und der Schichtgruppe in Auftrag gegeben. Michi erklärt mir, wie alles funktioniert und mir kommt die Melodie von Tetris in den Sinn. Alle diese Aufträge, alle diese Schalthandlungen – sie zahnen ineinander, sind teilweise voneinander abhängig und müssen zeitlich abgestimmt erfolgen. Kein Wunder also, werden die Aufträge und die dazugehörigen Aktivitäten gefühlt tausend Mal gesichtet und vor der Ausführung nochmals überprüft. Kay, ebenfalls Schichtchef, kontrolliert gerade einen Auftrag an der Primäranlage mithilfe des Schemata an der Wand und ich bilde mir ein, den Auftrag nachvollziehen zu können. Kurz darauf begleiten wir die Schichtübergabe im Kommandoraum und ich belausche zwei Operateure bei einem Gespräch, von dem ich wieder gar nichts verstehe. Ich äussere meine Beobachtung beim Verlassen der Anlage, aber Michi winkt ab. «Wenn du ein paar Wochen mit dabei wärst, dann würdest du diese Gespräche und die Revision verstehen.» Ich bin mir da nicht so sicher.