28.09.2020 | Innovatives Asset Management bei Axpo
In einem Pilotprojekt im Rahmen des Programms Grid 4.0 hat Axpo eine Anschlussklemme für ein 50-kV-Leiterseil additiv gefertigt. Mechanisch und elektrisch ist sie gleichwertig zum Original. Mit dieser Technologie können Ersatzteile bei Bedarf schnell hergestellt werden. Ein wegweisender Schritt in die Zukunft?
Das überregionale Verteilnetz der Axpo auf 50- und 110-kV-Ebene besteht aus 2200 km Leitungen und 50 Unterwerken. Es wird nach dem n-1-Prinzip betrieben: Wenn ein Element im Netz ausfällt, übertragen redundante Leitungen den Strom.
Das Netz ist dann natürlich gegen weitere Ausfälle ungeschützt – manchmal wird eine ganze Region nur noch über ein einzelnes Element gespiesen. Würde dieses ebenfalls ausfallen, käme es zu einem regionalen Stromausfall. Das defekte Element muss deshalb so rasch wie möglich repariert oder ersetzt werden.
Albert Raymann ist Anlagenverantwortlicher mehrerer Unterwerke von Axpo und auch für das Unterwerk Grynau bei Uznach zuständig: «Unsere Installationen sind oft 30 oder 40 Jahre alt. Wenn wir ein Teil nicht mehr an Lager haben, ist es oft schwierig, dieses bei den Herstellern zu bestellen.» Lieferzeiten von einigen Wochen bis zu Monaten seien nicht ungewöhnlich, wenn der Lieferant beispielsweise ein Gussteil nachbauen müsse.
Hinzu kommt, dass Axpo aus historischen Gründen in den Unterwerken Anschlussbolzen mit einem unüblichen Durchmesser von 35 Millimetern einsetzt. An diese Bolzen werden beispielsweise Leiterseile mittels Klemmen angeschlossen. Abgangsklemmen müssen deshalb extra für Axpo hergestellt werden. «Wenn wir Ersatzteile nicht kurzfristig beschaffen können, improvisieren wir», sagt Raymann. «Bisher haben wir immer eine Lösung gefunden, aber optimal ist das natürlich nicht.»
In einem Pilotprojekt wurde daher untersucht, ob es möglich ist, Ersatzteile additiv zu fertigen – also innovativ mit einem 3D-Drucker für Metall. Neben Raymann, der das Projekt auf betrieblicher Seite leitete, kam Timo Stiefel als Projektingenieur für Primärtechnik hinzu, der die Materialaspekte genauer betrachtete.
Abgangsklemmen wurden früher aus Bronze gegossen. Heute wird mit AlSiMg meist eine Legierung auf Aluminium-Basis verwendet. Sie ist leichter als Bronze. Die Aluminiumlegierung AlSi10Mg eignet sich sowohl für Gussteile als auch für additive Verfahren wie das Lasersintern. Hier wird das Bauteil in einem Pulverbett hergestellt: Ein Laser schmilzt das Metallpulver dort auf, wo das Bauteil wachsen soll. Schicht für Schicht wird nun Pulver hinzugefügt und mit dem Laser selektiv aufgeschmolzen.
Axpo selbst hat keine additive Fertigung. Das Projektteam wandte sich an Adriaan Spierings von Inspire, einer Forschungsgesellschaft im Bereich der Produktionswissenschaften, die auf den Knowhow-Transfer von der ETH in die Industrie spezialisiert ist. Sie hat im Bereich der additiven Fertigung viel Erfahrung.
Inspire machte zuerst einen 3D-Scan der Anschlussklemme, die im Rahmen des Pilotprojekts im
Unterwerk Grynau getestet werden sollte. Die Originalklemme war für ein Leiterseil mit 17,5 mm Durchmesser ausgelegt. Da die Klemme im Unterwerk für ein Seil mit 26 mm Durchmesser eingesetzt werden sollte, passte Inspire die CAD-Daten der Klemme nach dem Scan an den grösseren Durchmesser an. Weitere geometrische Anpassungen wurden vorgenommen, um die Struktur besser an die Anforderungen des 3D-Drucks anzupassen. Zudem brauchen die Bauteile im 3D-Drucker Stützelemente, die nach dem Druck wieder entfernt werden.
Mit additiven Verfahren werden oftmals filigrane, komplizierte Werkstücke hergestellt. Die Schaltanlagenklemme aus dem Pilotprojekt ist hingegen ein massives Metallstück. Auf den ersten Blick scheint es also kein Vorteil zu sein, eine Ersatzklemme additiv zu fertigen. Wenn aber wie im Unterhalt von Schaltanlagen rasch Einzelstücke benötigt werden, bietet die additive Fertigung einen grossen Vorteil: Das Ersatzteil steht schon nach wenigen Tagen zur Verfügung.
Der eigentliche 3D-Druck dauerte zwei Tage. Inklusive Vorbereitung der Daten und Nachbearbeitung des Werkstücks (Stützelemente entfernen, Löcher bohren und Gewinde schneiden) dauerte die Herstellung der Klemme rund eine Arbeitswoche. Bereits mit der heutigen Technologie kann ein Ersatzteil bei einem Störfall damit innerhalb einer Woche gefertigt und eingebaut werden.
Bevor das Bauteil im Unterwerk Grynau eingebaut wurde, mass die Interstaatliche Hochschule für Technik (NTB) in Buchs die Leitfähigkeit des additiv gefertigten Aluminiums. Das Ergebnis war zufriedenstellend, die Materialproben zeigten Werte, die mit der Leitfähigkeit von herkömmlich hergestellten, also gegossenen, Klemmen vergleichbar sind.
Nach den Tests wurde die Klemme schliesslich im Unterwerk Grynau in die 50-kV-Doppelleitung nach Niederurnen eingebaut. Das Pilotprojekt wurde ohne Zeitdruck ausgeführt und die Klemme an einer Leitung getestet, deren Ausfall keine Auswirkung aufs Netz hätte. Der Einbau lief problemlos. Die Messung vom Übergangswiderstand der eingebauten Klemme zeigt vergleichbare Werte zu klassisch gefertigten Klemmen.
Das Pilotprojekt beweist, dass es möglich ist, Netzelemente im 3D-Druck herzustellen. Was sind nun die Schlussfolgerungen von Axpo? Hierzu meint Jörg Kottmann, Leiter Asset Management: «Der Pilot hat gezeigt, dass es funktioniert. Von kritischen Betriebsteilen wie den Klemmen wollen wir nun die 3D-Daten erfassen – vor allem dann, wenn keine Ersatzteile verfügbar sind. So können wir im Bedarfsfall schneller reagieren».
Für einen flächendeckenden Einsatz, um etwa die Lagerkosten zu reduzieren, ist die Technologie momentan noch zu teuer. Sie werde sich aber weiterentwickeln. Axpo beabsichtigt daher, bei künftigen Beschaffungen 3D-Daten von Betriebsmitteln einzufordern und strukturiert abzulegen.