25.07.2025 | Tour de Suisse der Wasserkraft: Ökologische Ausgleichsmassnahmen beim Wasserkraftwerk Beznau
Die Neukonzessionierung des Wasserkraftwerks Beznau ist mit sechs ökologischen Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen verbunden. Neben einem geschützten Wartebereich und sicheren Zugang für Wildtiere zur Flussüberquerung erstellt Axpo an verschiedenen Orten neue Laich- und Nistplätze. Die Renaturierungen haben Vorzeigecharakter und schaffen neue Lebensräume im Unteren Aaretal.
Mit Sicherheitsweste und Helm lehnt Livia Wyss an einem geparkten Bagger und schiesst per Mobiltelefon Fotos. Auf den sechs Bauplätzen kontrolliert sie regelmässig die Fortschritte der Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen, die flussaufwärts des Wasserkraftwerks Beznau auf beiden Seiten der Aare umgesetzt werden. «Ich bin gerne direkt vor Ort», gibt Livia Wyss unumwunden zu. «Es ist ein gutes Gefühl zu sehen, wie aus Plänen Schritt für Schritt Realität wird.» Die 30-jährige Umweltingenieurin betreut für Axpo nicht nur die Umweltverträglichkeitsberichterstattung, sondern macht auch Umweltbaubegleitungen. Zusammen mit Kollegen von der Bauabteilung des Engineering, dem Kraftwerksbetrieb und dem Asset-Management der Division Hydroenergie & Biomasse ist sie verantwortlich für die Umsetzung der Massnahmen.
2023 erteilte der Kanton Aargau dem Hydraulischen Kraftwerk Beznau die Konzession für weitere 30 Jahre Stromproduktion. Flankiert wurde die Konzessionserteilung von sechs ökologischen Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen. Zur Umsetzung dieser Massnahmen stiess Livia Wyss zum bestehenden Projektteam. Ihr Gesellenstück hatte sie zuvor mit den ökologischen Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen zur Neukonzessionierung des Aarekraftwerks Klingnau abgeliefert. Mittlerweile kennt sie die Gewässer im Unteren Aaretal wie ihre Westentasche, auch wenn ihr ungetrübter Appenzeller Dialekt andere heimatliche Wurzeln verrät.
Der Sommer 2025 zeigt sich an vielen Tagen warm und trocken. Perfekte Bedingungen für die Crew des lokalen Bauunternehmens. Mit einigen der versierten Maschinenführer hat Livia Wyss bereits am Klingnauer Stausee zusammengearbeitet. «Es ist ein gut eingespieltes Team, das mitdenkt und die Wirkung unserer Revitalisierungsmassnahmen bei wechselnden Bedingungen und unterschiedlichem Wasserstand ausgezeichnet einschätzen kann», sagt die Ingenieurin.
Unweit des Baggers tanzen Insektenschwärme über einem weitläufig ausgehobenen Grundstück. «Genau hier entsteht ein Flachsee», sagt Livia Wyss und schiesst Bilder vom Grundwasser, das an der tiefsten Stelle durch den Boden drückt. Flankiert von Stein- und Asthaufen soll der Flachsee diversen Fischen, kleinen Säugetieren, Reptilien, Amphibien und Insekten Unterschlupf bieten.
Direkt daneben sehen die Pläne einen durch Sträucher und Gehölz geschützten Warteraum für Wildtiere vor. «Egal ob Hirsch, Dachs oder Eichhörnchen, die Wildtiere sollen sich vor und nach der Flussüberquerung geschützt ausruhen können.» Der Wildwarteraum wurde von Seiten des Kantons Aargau definiert und projektiert, weil an dieser Stelle ein überregionaler Wildtierkorridor verläuft, der durch die Aare führt.
Zum Fluss hin wird das Ufer künftig flach auslaufen. «Eigentlich können beinahe alle Wildtiere schwimmen, brauchen aber einen flachen Ein- und Ausstieg», erklärt Livia Wyss. Sind die Tiere mal im Wasser, entscheiden Eigengewicht und Muskelkraft, wie schnell sie die Aare überqueren können. «Ein Eichhörnchen dürfte etwas länger vom Fluss mitgetragen werden als ein Hirsch. Zudem dürfte es den Wildtierkorridor deutlich weniger häufig nutzen, als dies Rehe oder Hirsche tun, da Eichhörnchen weniger weit wandern», sagt Livia Wyss mit einem Lachen.
Zweihundert Meter vom neuen Flachsee entfernt befindet sich das Wehr, das einen Teil der Aare in den Oberwasserkanal leitet. Das Hydraulische Kraftwerk Beznau, so sein offizieller Name, ist seit 123 Jahren in Betrieb. Auch wenn es heute im Schatten der beiden benachbarten, gleichnamigen Kernreaktoren steht, bildet das Wasserkraftwerk mit seiner Leistung von 25 Megawatt (MW) das historische Fundament der Axpo. Zusammen mit dem Glarner Speicherkraftwerk Löntsch entstand 1908 der erste Stromverbund, sozusagen das erste Stromnetz der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG, wie die Axpo Power AG bis 2009 hiess. Noch heute produzieren die elf Turbinen zuverlässig Strom für rund 45'000 Vierpersonenhaushalte.
Flusskraftwerke wie das Hydraulische Kraftwerk Beznau produzieren rund um die Uhr Strom. Sogenannte Bandenergie oder Grundlast. Also die Energie, die kontinuierlich benötigt wird für alles, was auf «Standby» unter Strom steht, für Kühl- und Rechenzentren oder auch für Verkehrsampeln und die Strassenbeleuchtung. Grundlast ist ein wichtiger Teil der Schweizer Stromversorgung und in einer weitgehend elektrifizierten Welt schlichtweg unverzichtbar.
Derweil zückt Livia Wyss ihr Mobiltelefon drei Kilometer flussaufwärts, um den aktuellen Stand der Arbeiten zwischen Stilli und Villigen zu dokumentieren. Am linken Aareufer entstanden seit Anfang Mai ein neuer Seitenarm und eine Ansammlung von Tümpeln. «Die Biotope dienen als Laichplätze für Amphibien, speisen sich durch Niederschläge und werden temporär auch mal trockenfallen.» Damit ergänzen sie den an diesem Ort bereits bestehenden, permanent Wasser führenden Weiher von Pro Natura ideal.
Mit dem neuen Aare-Seitenarm schafft Axpo indessen ein mehrere hundert Meter langes, neues Gewässer. In einer Schlangenlinie angelegt, bietet er Fischlarven und Jungfischen mit seinen strömungsberuhigten Flachwasserzonen ein ideales Zuhause. «Der Seitenarm hat zudem eine wichtige Schutzfunktion. Bei Hochwasser können sich Fische hierher zurückziehen», erklärt Livia Wyss. Nicht zuletzt erhält das bestehende Flussufer der Aare neue Buchten und Kiesinseln. «Ein Teil des Tot- und Schwemmholzes, das wir hier im Seitenarm eingesetzt haben, stammt vom Wasserkraftwerk selbst. Mitarbeitende sammelten es seit letztem Jahr beim Stauwehr.» Ab August fliesst Wasser durch den neuen Seitenarm. «Das wird ein schöner Moment», gibt die Umweltingenieurin zu.
Der dritte Schwerpunkt der ökologischen Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen betrifft die Restwasserstrecke der Aare, den Teil des Flusslaufs also, der nicht in den Oberwasserkanal geleitet wird. «Weil das linke Ufer seit Jahrzehnten als Hangrutschgebiet bekannt ist, muss der Uferschutz aus Betonplatten bestehen bleiben», erklärt Livia Wyss. «Wir werten diesen Abschnitt nun aber mit Strukturen auf, die ins Wasser ragen. Diese «Buhnen» bieten Fischen einen geschützten Raum und erhöhen die Strömungsvielfalt.»
Das rechte Ufer der Restwasserstrecke ist Teil der Halbinsel Beznau. Die Hälfte der Insel nimmt das gleichnamige Kernkraftwerk in Anspruch. Unweit der beiden Reaktoren überrascht die Halbinsel mit einem sandigen Uferabschnitt, den die lokale Bevölkerung gerne als Badestrand nutzt. «Diese Kies- und Sandbank mit Auenwald ist aber auch ein wichtiges Laichgebiet der Äsche und Nase», gibt Livia Wyss zu bedenken. Der Flussuntergrund versiegelt sich seit Jahren zunehmend. Als wiederkehrende Massnahme will Axpo nun alle ein bis zwei Jahre die Kiesbank auflockern, damit das Kies wieder als Laichgrund genutzt werden kann. «Dafür nutzen wir einen Bagger mit einem Spezialaufsatz.»
Im Mai gestartet, nehmen die Arbeiten mehr und mehr Form an. «Seit Juli können wir nun auch im Wasser durchstarten, denn die Fischschonzeit dauert im Kanton Aargau jeweils von November bis Ende Juni.» Das Zeitfenster bis Ende Oktober will Livia Wyss mit ihrer Crew einhalten. «Wir sind auf Kurs und gespannt, wie die Wildtiere auf die neuen Möglichkeiten reagieren.»
Dieser Artikel ist Teil der Serie «Tour de Suisse der Wasserkraft». Bisher erschienen sind:
Axpo betreibt heute 60 Wasserkraftwerke mit einer gesamten Turbinenleistung von knapp 4'000 MW und ist somit die grösste Wasserkraft-Produzentin der Schweiz.
Axpo baut und betreibt seit über 100 Jahren Wasserkraftwerke und verfügt daher über ein immenses Know-how in diesem Bereich.
Inklusive Beteiligungen verantwortet Axpo jährlich 11 TWh Strom aus Wasserkraft, was knapp einem Drittel der in der CH produzierten Energie aus Wasserkraft entspricht
Axpo beschäftigt ca. 550 Mitarbeitende in Betrieb, Unterhalt, Erneuerung und Management von Wasserkraftanlagen, davon allein 120 Mitarbeitende im wasserkraftspezifischen Engineering
Dank ihrem grossen Wasserkraftpark mit über 150 Maschinensätzen (Generator mit Turbine) und 45 Stauanlagen verfügt Axpo über viele hochqualifizierte Spezialisten in allen spezifischen Wissensgebieten der Wasserkraft. Dadurch ist Axpo in der Lage, auch anspruchsvolle Herausforderungen bei Betrieb Unterhalt von Wasserkraftwerken effizient und kostenoptimiert zu meistern.
Axpo hat als erstes Wasserkraftunternehmen der Schweiz das grosse Potential der Digitalisierung erkannt und in der Folge das erste digitale Wasserkraftwerk der Schweiz realisiert. Axpo ist weiterhin führend in der Entwicklung und Anwendung von digitalen Tools für einen optimierten Betrieb von Wasserkraftwerken