18.01.2021 | PPAs werden den deutschen Energiemarkt bald ziemlich umkrempeln
Wie lange dauert es, bis Stromabnahmeverträge (Power Purchase Agreements, PPAs) für erneuerbare Energien auch in Deutschland aus der Nische kommen und sich ein Massenmarkt bildet? Dieser Frage ist Janosch Abegg, Senior Originator bei Axpo Deutschland, in einem Vortrag im Rahmen des virtuellen „Handelsblatt Energiegipfel“ vergangene Woche auf den Grund gegangen. Fazit: PPAs werden in den kommenden Jahren auch in Deutschland sprunghaft an Bedeutung gewinnen und den Energiemarkt verändern.
PPAs sind in aller Munde: Die langfristigen Verträge zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien haben sich in vielen Ländern Europas zu einem Megatrend entwickelt. Einige wenige Märkte hinken noch hinterher. Dazu zählt auch Deutschland: Zwischen Elbe und Isar liegt das in erster Linie daran, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit der darin verankerten üppigen Einspeisevergütung dazu geführt hat, dass es für Investoren in erneuerbare Energien in den vergangenen 20 Jahren nicht wirklich attraktiv war sich nach marktbasierten Instrumenten wie PPAs umzusehen. Das ändert sich aber nun, da die ersten Solaranlagen und Windparks aus der EEG-Förderung fallen.
Die entscheidenden Fragen dabei: Wie schnell wird das PPA-Geschäft im grössten Strommarkt des europäischen Kontinents wachsen? Wie gross könnte der Markt insgesamt werden und wie viele Anbieter werden sich um die lukrativen Aufträge balgen?
Janosch Abegg, Senior Originator bei Axpo Deutschland, beschäftigt sich schon seit über 15 Jahren mit der Vermarktung von Grünstrom. Als Mitglied des Origination-Teams von Axpo in Düsseldorf kennt er nicht nur den deutschen Markt wie seine Westentasche, sondern kann bei Bedarf auch auf die Erfahrungen der zahlreichen PPA-Experten von Axpo in den über 30 Ländern zurückgreifen, in denen das Unternehmen präsent ist und seit Jahren eine Vorreiterrolle im PPA-Geschäft einnimmt.
«Wir bei Axpo Deutschland sind gut aufgestellt und bereit, unser konzernweites Know-how im PPA-Bereich auch hierzulande zum Tragen zu bringen. Wenn die Zeit gekommen ist, werden wir in Deutschland zu den wichtigsten Marktteilnehmern bei Stromabnahmeverträgen gehören,» so Janosch Abegg. Und das könnte in gar nicht so ferner Zeit der Fall sein, denn dem PPA-Geschäft werden in Deutschland allenthalben gute Wachstumsmöglichkeiten attestiert.
Janosch Abegg hat die aktuelle Ausgangslage eingehend analysiert: Als Vergleichsgrösse für einen PPA-Massenmarkt wählte er in seinem Referat, das er in einem Side-Event des wichtigsten Anlasses der deutschen Energiebranche hielt, den deutschen Markt für Herkunftsnachweise. Dieser umfasst knapp 100 TWh pro Jahr, davon kommen fast 90% aus dem Ausland. Die Anzahl der beteiligten Unternehmen ist dabei beträchtlich: Über 1200 Energieversorger sind in Deutschland für Herkunftsnachweise registriert.
«Der PPA-Markt wird im Vergleich zu den Herkunftsnachweisen in den kommenden Jahren schnell aufholen. Addieren wir die optimistischsten Prognosen, kommen wir auf über 40 TWh – in nur vier Jahren,» wusste Janosch Abegg am „Handelsblatt Energiegipfel“ zu berichten.
Dies würde bedingen, dass bis 2025 nicht nur 16 TWh an ausgeförderten Windanlagen, sondern auch 13 TWh an ungeförderter Photovoltaik-Freifläche und bis zu 15 TWh an Offshore-Windanlagen in sonstiger Direktvermarktung auf den PPA-Markt kommen. Eine wichtige Voraussetzung dafür wären zudem stabil hohe Preise.
Natürlich könne es aber auch sein, so Janosch Abegg, «dass wir am Ende nur 20 TWh sehen werden. Die langfristigen Stromabnahmeverträge werden die Landschaft der erneuerbaren Energien in Deutschland im Bereich der Erzeugung und Finanzierung aber in jedem Fall spürbar verändern, selbst wenn der Markt für Herkunftsnachweise in den kommenden fünf Jahren nicht vollständig durch PPAs ersetzt werden dürfte.»
Ob 20 oder 40 TWh: Um all diese PPAs bereitzustellen und die Strommengen zu managen, werde es eine Vielzahl an Akteuren brauchen, erklärte Janosch Abegg. «Wenn wir von 40 TWh pro Jahr ausgehen, die jeweils mit einem PPA über zehn Jahre zu einem Preis von 40 Euro pro MWh abgenommen werden, summiert sich das Gesamtkreditrisiko auf 16 Milliarden Euro. Dieses enorme Volumen kann nicht nur von ein paar wenigen Unternehmen gestemmt werden, da braucht es sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Abnehmerseite ein breit gefächertes Spektrum an Marktteilnehmern.»
Dazu zählen Energiehandelsunternehmen genauso wie Industrieabnehmer und EVUs: Während Erstere das Balancing und Strukturieren der Energie übernehmen, können sie mit der Industrie im Verbund das PPA-Volumen bankfähig absichern. Zudem muss die Energie dann in Fristen und Strukturen gebracht werden, so dass auch kleinere Unternehmen den Strom abnehmen können – eine klassische Aufgabe von Energieversorgern.
Da das CO2-Problem nicht an der deutschen Grenze Halt macht, verwies Janosch Abegg in seiner Präsentation abschliessend noch auf die Möglichkeit so genannter Cross-Border-PPAs: «Mit einem solchen Instrument können deutsche Industrieunternehmen zum Beispiel Windstrom aus Schweden für ihre Energie- und Klimaziele anrechnen lassen.» Zumal es auf absehbare Zeit ohnehin nicht genügend PPAs aus deutschen Anlagen geben würde, um damit den Import ausländischer Herkunftsnachweise zu ersetzen.
Mit Cross-Border-PPAs würde das PPA-Geschäft in Deutschland zusätzlich Fahrt aufnehmen, denn gerade für Unternehmen mit Abnahmestellen in mehreren Ländern sei es mühsam und überdies unnötig, sich pro Land jeweils grünen Strom per PPA zu besorgen.
Janosch Abegg erläutert: «Es ist ja absolut pragmatisch, wenn ein Abnehmer aus Deutschland mit einem PPA dazu beiträgt, dass ein schwedischer Windpark gebaut werden kann und der europäische Strommix dadurch noch grüner wird. Wo genau sich die Anlage befindet, für die ein PPA abgeschlossen wird, ist letztlich aus Klimasicht unerheblich. Das Unternehmen selbst profitiert dabei von der grünen Eigenschaft des Stroms und von der Preisstabilisierung für seine deutschen, belgischen oder französischen Abnahmestellen. Gerade PPA-Anbieter, die wie Axpo europaweit tätig sind, können hier attraktive Lösungen bereitstellen.»
Damit der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa mittels PPAs weiter vorangetrieben werden kann.